GRETA ein (fast) autobiographischer Roman über Internetlieben

Dieser kleine Roman ist natürlich (fast) autobiographisch. Manche Episoden magen übertrieben klingen, die Wrklichkeit war aber oft noch viel extremer. Diese Art 'Roman' zu schreiben, hat mir ab und zu Spass gemacht, manchmal war die Erinnerung aber doch nicht sehr angenehm, auch wenn schon einige Jahre seitdem verstrichen sind....

INHALTSZUSAMMENFASSUNG:

Greta ist eine Deutsche reiferen Alters, die in Barcelona lebt. Seitdem sie vor vielen Jahren ihren spanischen Ehemann verliess, ist sie auf der Suche nach "Ihm", also ihrem Traummann. Nach mehreren Episoden mit Spaniern, wurde ihr klar, dass sie keinen Latino mehr wollte. Gerade, als sie sich seelisch damit abgefunden hatte, für immer allein zu bleiben, kam das Internet - scheinbar speziell für sie - auch nach Spanien. Endlich stand Greta die ganze Welt offen, um "Ihn" zu finden. Und sie begab sich auf die Suche per Computer...
 
 
1. Kapitel - Die Zeit vor Internet


Vor fünfzehn Jahren veränderte sich Gretas Leben. Ganz plötzlich, von einem Tag auf den anderen, oder besser gesagt, von einem Moment auf den anderen. In einer deutschen Zeitschrift, die in Barcelona, wo Greta wohnte, zwar doppelt so teuer war, wie in Deutschland, die Greta sich aber trotzdem ab und an leistete, weil sie nicht ganz den Kontakt zu Deutschland verlieren wollte, also in dieser Zeitschrift gab es eine große Reportage über Singles, die Greta natürlich sehr interessierte, denn schließlich war sie ja auch einer. Sie verschlang den Artikel, und stieß plötzlich auf ein paar Worte, die ihr ab da nicht mehr aus dem Kopf gingen, nämlich "...trostloses Singledasein..". Mehr noch als von der Reportage, fühlte sich Greta mit diesen Worten identifiziert. Ja, das war die genaue Beschreibung ihres Lebens. Sie war eine geschiedene Frau mittleren Alters, also eigentlich Single. Zwar hatte sie sich schon immer sehr gepflegt, und das Glück gehabt, die glatte Haut ihrer Mutter vererbt zu bekommen, aber wenn sie morgens nach dem Aufwachen in den Spiegel sah, erschreckte sie meistens ihr Anblick. Doch wenn sie dann zurechtgemacht war, sah man ihr das wirkliche Alter nur an, wenn sie den Kopf nach unten neigte (das Doppelkinn kam aus der Familie ihres Vaters - ihre Großmutter väterlicherseits trug immer ein Samtband um den Hals, um so diese häßliche Wulst etwas zu kaschieren - oder von Ohr zu Ohr lachte. Deshalb ging sie immer sehr gerade mit hoch aufgerichtetem Kopf und zum Lachen hatte sie ohnehin wenig Grund.



Aber da sie als Deutsche in Spanien wohnte und außerdem blond (gefärbt, aber das wußte ja nur sie) und vollbusig war, pfiffen ihr die Männer immer noch hinterher, und wenn nicht gerade ein Spiegel in der Nähe war, vergaß sie ihr Alter und fühlte sich ziemlich jung.



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Greta war als ganz junges Mädchen nach Barcelona gekommen, nachdem sie bei einem Urlaub an der Costa Brava einen jungen Spanier kennengelernt hatte, der ihr wunderschöne Worte ins Ohr raunte, die sie zwar nicht verstehen konnte, die aber herrlich klangen. Zuerst tanzte sie ganz eng mit ihm (da er nur genauso gross war wie sie, hatte sie die Schuhe ausgezogen - was er ganz süss fand), dann später, als er sie in eine dunkle verrauchte Kellerkneipe brachte und nach einer Guitarre verlangte, war es um Greta geschehen. Nach ein paar Gläsern Wein liess sie sich von ihm küssen und stellte fest, dass die Sage vom “feurigen Spanier” wirklich nicht gelogen war. José war zwar sehr feurig, aber er hatte sich auch verliebt, deswegen “respektierte” er Greta, was bedeutete, dass sie seine Leidenschaft später, als sie noch eine Weile vor Greta’s Hotel knutschten, von ihrem Rock wischen musste. Sie fand es herrlich, dass ein Mann nicht versuchte, gleich am ersten Abend mit ihr zu schlafen.



José war Friseur, aber nicht irgendein Friseur, nein, er arbeitete als einziger Mann in einem, für damalige spanische Verhältnisse, luxuriösem Salon, der einem der bekanntesten spanischen Pop-Stars der 60iger Jahre gehörte. Der Pop-Star wollte klugerweise sein Geld gut investieren und so ein Frisiersalon war bei den koketten und eitlen Spanierinnen immer eine gute Geldanlage.



Als Greta am nächsten Morgen im Hotel frühstückte (nachdem José sie um vier Uhr morgens mit viel “te quiero, te quiero..” endlich alleingelassen hatte), stand er bereits vor ihr, bevor sie die erste Tasse Kaffee ausgetrunken hatte. Mit Händen und Füßen und ein paar englischen Brocken machte er ihr klar, dass er ihr Barcelona zeigen und gleichzeitig einen neuen Haarstil verpassen wollte.



Er war im grossen SEAT1500 seines Vaters gekommen (damals, Mitte der 60iger Jahre, ein absolutes Luxusauto) und beeindruckte Greta mit seinem waghalsigen Fahrstil (jedesmal, wenn er auf den kurvenreichen Straßen in Richtung Barcelona überholte, machte sie vor Angst die Augen zu..). Aber noch mehr beeindruckte Greta Barcelona. Was für eine Stadt! Greta kam aus Schleswig-Holstein und ausser ein paar Knicks und Kühen und dann ein paar Jahren regnerischer englischer Landschaft, hatte sie noch nicht viel von der Welt gesehen. José zeigte Greta ein paar traumhafte Gebäude, den Hafen und den Frisiersalon. Dort verpasste er ihr einen völlig neuen Stil, der sie so toll aussehen liess, dass sich später auf der Strasse alle Männer nach ihr umsahen. Das war José einerseits nicht sehr recht, aber andererseits merkte man, wie sich seine Brust vor Stolz schwellte, dass er so eine tolle “Alemana” (Deutsche) an seiner Seite hatte. Als die Sonne am Untergehen war, fuhr er sie auf den Tibidabo-Berg im Rücken der Stadt und machte ihr per Zeichensprache klar, dass sie doch bitte ihre Augen schliessen sollte. Greta war ein folgsames Mädchen und zu José hatte sie schon grosses Vertrauen gefasst. Also schloss sie die Augen, während er sie wie eine Blinde aus dem Auto herausholte und ein paar Schritte führte. Dann machte er selbst mit sanften Fingern (die noch ein wenig nach Haarfärbemitteln rochen) ihre Augen auf und sagte mit seiner dunklen, zärtlichen Stimme “miralo” (was so viel heisst wie “schau mal”, wie Greta später im Wörterbuch nachblättern konnte). Auf die Aussicht war Greta nicht gefasst: Ein unwirkliches schönes, riesiges Barcelona unter ihren Füssen, eine unendliche Zementlandschaft bis hin zum Meer und an der anderen Seite getaucht in das rosa-gelbe Licht der untergehenden Sonne. Es war ein so phantastischer Blick, den Greta an der warmen Schulter von José geniessen durfte, dass sie in dem Moment beschloss, zurück nach Barcelona und José zu kommen, wenn er sie denn fragen sollte.



Das tat er, wenn auch erst zwei Tage später, als Greta sich von ihm am Bahnhof verabschiedete, weil ihr Urlaub schon zuende war. Greta hatte ihr kleines Wörterbuch dabei und sie brauchte gar nicht viel zu blättern, bis sie verstand, dass er sie bat, doch für immer nach Barcelona zu kommen.



Greta konnte ihm nicht so recht glauben, immerhin kannte er sie doch bloss die paar Tage und außerdem hatte sie schon oft gelesen, wie verlogen doch diese Südländer waren, die alles taten, nur um eine Frau ins Bett zu bekommen. Aber das konnte es bei José eigentlich nicht sein, immerhin hatte er ja nicht einmal den Versuch gemacht, mit ihr zu schlafen (obwohl der Fleck auf ihrem Rock bewies, daß er sie trotzdem sexuell begehrte).



Als Greta auf dem Hamburger Bahnhof von ihrer Mutter abgeholt wurde, erzählte die ihr ganz aufgeregt, dass jemand angerufen und sie kein Wort verstanden hätte. Gretas Herz fing ganz doll an zu klopfen.... etwa José? Natürlich war es José, der später noch einmal anrief (die beiden erfanden notgezwungenermaßen eine eigene Sprache, mit der sie gut zurechtkamen, ungefähr wie (Greta) "ich...traurig....allein....vermissen, " und (José) "verlieben...du....süss...Frau....ich....kommen...du holen.."), zwischen den einzelnen Worten waren lange Pausen und nur das Rascheln der sich umdrehenden Seiten im Wörterbuch zu hören.



Bald kam auch das erste Geschenk: Ein Strauss Rosen von Fleurop geliefert. Greta's Mutter bekam ganz träumerische Augen und meinte, daß es vielleicht auch Spanier gäbe, die nicht ganz so schlecht wie der Rest wären... Als José dann nach nur wenigen Wochen mit dem großen Auto seines Vaters vor Greta's Haustür parkte, war es um Greta's Mutter vollends geschehen. "Sieh doch mal, Greta, der hat ja handumsäumte Taschentücher...! Sieh doch mal Greta, sein Anzug ist ja richtig vom Schneider gemacht - nicht von der Stange!" Greta war von José eigentlich gar nicht mehr so überzeugt, denn hier im grauen Norden sah er irgendwie doch sehr fremdländisch aus, außerdem war er auch nur genauso groß wie sie und Greta’s Schwester, die richtig Spanisch gelernt hatte, hatte ihr schon nach dem Eintreffen von José's ersten Briefen (die sie freundlicherweise übersetzte) verächtlich berichtet, daß José nicht ein einziges Wort richtig schrieb. Aber Greta ließ sich von der Bewunderung ihrer Mutter anstecken und dabei half auch, daß José so zuvorkommend und lieb zu ihr war. Er las ihr jeden Wunsch von den Augen ab, und - wie Greta's Mutter mit feuchten Augen feststellte: "Er behandelt dich ja wie eine Prinzessin!" Er behandelte sie in jeder Beziehung wie eine Prinzessin, denn zwar waren zu dem ersten Fleck auf Greta's Kleidung noch viele weitere hinzugekommen, aber einen direkten körperlichen Kontakt hatte es noch nicht gegeben. Greta begann, sich Sorgen zu machen und so ein klein bisschen Verlangen spielte da mit und auch ein wenig Neid, denn José hatte ja immerhin seinen Spass, weil inzwischen auch ihre Hand ins Spiel gekommen war, die José mit nur wenigen Bewegungen zu höchster Ekstase brachte.



Greta wußte, was sie vermißte, denn auch im Deutschland der 60iger Jahre gab es schon Sex vor der Ehe. Und Greta hatte vor ein paar Jahren nicht nein sagen können, nachdem praktisch alle ihre Freundinnen (außer Jutta, aber die war furchtbar dick und eine andere story..) Bettgeschichten verglichen und Greta nur immer staunend (und ein wenig neidisch) zuhören konnte, und sich absolut doof und naiv vorkam. Kurz nach ihrem sechzehnten Geburtstag hörte Greta endlich auf, Jungfrau zu sein. Es passierte eines Samstag nachmittags im Juli auf einer Wiese und mit Werner. Von ihren Freundinnen und auch einigen Romanen, die sie heimlich aus der Leihbücherei unter dem Anorak versteckt hatte, wusste sie so ungefähr, was auf sie zukam. Daß es so wehtun würde, hatte sie aber nicht gelesen oder gehört. Es war so schmerzhaft, dass Greta mittendrin einfach den schwitzenden und keuchenden Werner versuchte, von ihrem geschundenen Körper hinunterzuschubsen, aber sie hatte nicht damit gerechnet, wie stark ein Mann/Junge sein konnte, der endlich kurz vor einem Orgasmus stand, der nicht mit Hilfe seiner Hand, sondern innerhalb einer feuchten warmen Grotte stattfinden sollte. Also gewann Werner und liess sich erst von ihr herunterrollen, als er alles in ihr gelassen hatte, was ein Mann nur so in einer Frau lassen kann. Greta hatte ausser dem intensiven Schmerz und dem schweren Körper Werners nichts gefühlt. Sie war ganz erschreckt hinterher, als sie das Blut in ihrem Höschen sah und ihr klarwurde, dass sie also wirklich "entjungfert" worden war, sogar schwanger geworden sein konnte (denn damals in den sechziger Jahren waren Kondome noch eher die Ausnahme und natürlich hatte Werner nicht zu hoffen gewagt, daß er sie an jenem Samstag endlich so weit hätte... also auch kein Kondom eingepackt), dass sie aber trotzdem keine Ahnung hatte, wie sich wohl ein Orgasmus anfühlte. Greta hatte eine strenge Erziehung genossen, alles unterhalb der Gürtellinie war "igitt" laut ihrer Mutter und bis sie ungefähr fünfzehn war, war Greta der Meinung, dass der Unterleib eben nur für die sehr menschlichen Funktionen geschaffen war (die meistens mit der Toilette zu tun hatten), und dass die eigene Hand dort nichts zu suchen hatte...eben 'Igitt'! Aber dann bei den ersten Küssen (nicht von Werner, sondern von Gustav ein Jahr früher) und bei den ersten Berührungen einer schüchternen männlichen Hand auf ihrer Brust, merkte Greta doch, dass sich in ihrem Unterleib etwas tat, was sich sehr angenehm anfühlte und in ihr den ungezogenen und unanständigen Wunsch hervorrief, sich auch dort anfassen zu lassen (das 'Igitt' rückte ziemlich in den Hintergrund). Aber der Gustav damals war viel zu schüchtern, und da Greta sich schämte, ihm offen zu zeigen, wo er sie noch anfassen sollte, blieb es eben bei den Küssen und dem Kneten ihrer Brust. Gustav war sowieso nur eine kurze Episode während der Sommerferien, als Greta ihre Grosseltern in Niedersachsen besuchte. Während der sechs Wochen lernte sie zwar ziemlich gut küssen, aber weder Gustav noch sie wagten es, sich "dort" zu berühren und nach Ende der Ferien konnte Greta ihrer Mutter zwar anfangs kaum in die Augen sehen, war aber ansonsten noch genauso unberührt wie sechs Wochen vorher. Irgendwie war aber wohl trotzdem etwas anders an Greta, denn plötzlich wurde sie interessant für die Jungen an ihrer Schule und überhaupt für die jungen Männer, die sonst noch so in ihrer Stadt herumliefen. Und irgendwann war da eben der besagte Werner. Werner war schon achtzehn und hatte einen schlechten Ruf. Man sagte ihm sogar nach, dass er irgendwo ein uneheliches Kind hatte, was ihn natürlich sofort ganz besonders interessant machte für Greta. Unbewusst legte sie damals die Weichen für ein Verhalten, das auch in ihrem späteren Leben immer gleich verlief: Je schwieriger ein Mann zu bekommen war, um so attraktiver fand Greta ihn. Sie mochte es zwar sehr, wenn ein Mann sie anhimmelte und unbedingt mit ihr "gehen" wollte, aber verlieben konnte sie sich nicht in einen solchen Mann.



Zum Glück wurde Greta von Werner nicht schwanger und auch nicht von seinen Nachfolgern. Bis Greta den spanischen José kennenlernte, gab es einige, denn Greta war ein gesundes junges Mädchen mit gesunden Bedürfnissen und der Meinung, nachdem sie sowieso keine Jungfrau mehr war, es auch nichts zu verlieren, sondern nur Lust zu gewinnen gab. Das mit der Lust war aber gar nicht so einfach. Greta's Liebhaber waren genauso ignorant erzogen worden, wie Greta selbst, und mit einer Frau Sex zu haben, bedeutete wenig mehr, als ihr wichtigstes Teil in den "Hafen einfahren zu lassen", wie es Greta mal ein Junge beschrieb, als sie ihn fragte, was er dabei fühlte. Zwar war jeder der Jungen wild darauf, daß Greta auch ihre Hände kunstvoll einsetzte, kamen selbst aber nicht auf die Idee, an Gretas Unterleib mehr zu tun, als nur sie dort ziemlich ungeschickt und manchmal sogar schmerzhaft zu kneten und dann "ihn" schnell einzuführen, und sich ein paarmal hin und her zu bewegen, bevor auch schon alles zuende war. Nach dem dritten Jüngling war Greta überzeugt davon, frigide zu sein. Jedenfalls sagten ihr das ihre Freundinnen, denen sie ihr Leid geklagt hatte. Angeblich kam jede von ihnen gleich nach der Penetration zum Orgasmus, keine brauchte sonstige Hilfsmittel wie Finger (ganz zu schweigen von Mund oder Zunge - davon hatten damals nicht einmal Gretas Freundinnen etwas gehört). Also mußte es ganz allein an Greta liegen und eine Zeitlang spielte sie sogar mit dem Gedanken, nie wieder Sex mit jemandem zu haben, geschweige denn, jemals zu heiraten, denn ohne Orgasmus waren diese Leibesübungen doch bloß anstrengend, und sie hatte auch bald keine Lust mehr, nur den jeweiligen Männern etwas Gutes zu tun, ohne selbst etwas davon zu haben.



Aber als Greta die Mittlere Reife bestanden hatte und sich schließlich in Manchester als Au-pair-girl (übersetzt Dienstmädchen zu Mindestgehalt und 24-Stunden-Arbeitszeit) wiederfand, geschah ein Wunder. Das Wunder hieß Martin und war der Bruder einer Nachbarin. Er hatte sie mal über den Zaun angesprochen, als Greta gerade Wäsche aufhängte und nicht besonders sexy aussah. Er sah auch nicht besonders aus, war auch nicht besonders groß, aber da er der erste Engländer war, der Interesse an Greta zeigte, fand sie ihn toll. In ihrer sehr beschränkten Freizeit ging sie ein paarmal mit ihm ins Kino und hinterher tanzen. Martin war Mitglied in einem Dance-Club, in dem berühmte und nicht so berühmte Gruppen und Sänger auftraten. So kam es, daß Greta die Beatles und Rolling Stones sah, bevor sie auch nur die leiseste Ahnung hatte, wie ihre Kinder sie mal darum beneiden würden. Martin kannte auch einige Sänger persönlich und stellte sie Greta vor. Greta fühlte sich geehrt und merkte, wie sie Martin von Tag zu Tag toller fand. Und dann, nach einem Chubby Checker-Konzert, fuhr Martin sie nicht wie sonst, direkt zu der Familie, bei der Greta angestellt war, sondern parkte stattdessen in einem ziemlich abgelegenen Feldweg. Martin fuhr einen Mini und es war buchstäblich nicht möglich, den Rücksitz für ausgedehntere Liebesspiele zu benutzen. Es war Winter und draußen hätte es auch keinen Spaß gemacht... also küßte man sich hingebungsvoll und ausgiebig und Greta's Hand fand ganz automatisch den Weg zu seinem Reißverschluß. Bis dahin hatten seine Hände ihre Brust gestreichelt und liebkost und auch sein Mund hatte den Weg dorthin gefunden. Greta konnte sich bei dem Gefühl seiner Zunge auf ihren Brustwarzen kaum auf ihre Hand konzentrieren, die ihn ja liebkosen sollte. Plötzlich aber nahm Martin ihre Hand von seinem (zugegebenermaßen nicht sehr erregtem) Glied und sagte ihr zwischen zwei Küssen, daß zuerst sie an die Reihe käme mit 'Genießen'. Greta konnte nicht glauben, was sie hörte und noch weniger, was dann geschah. Zwar hatten - wie gesagt - einige ihrer früheren Freunde auch ihre unteren Gefilde erforscht, aber keiner von ihnen hatte es mit solcher Kunstfertigkeit und Raffinesse getan, wie jetzt Martin. Nach ganz kurzer Zeit hatte Greta ihren ersten Orgasmus und wußte, daß sie nie aufhören würde, Martin zu lieben. Sie wußte jetzt auch, daß nicht der Mann, der für die Entjungferung zuständig war, unvergeßlich werden würde, sondern der Mann, der den ersten Orgasmus hervorrief. Denn eine Sache hatte ja nicht automatisch die andere zur Folge, wie wir gesehen haben.



Was geschah mit Martin? Nicht viel, denn nachdem er Greta ab und zu Orgasmen beschert hatte, aber nie mit ihr "richtigen" Sex gehabt hatte, fuhr er überraschend mit einer Ex-Freundin auf Urlaub und blieb mit der auch zusammen, als der Urlaub schon zuende war. Er gab Greta keine Erklärung ab, sondern verschwand einfach aus ihrem Leben. Gretas Herz war zum erstenmal (aber nicht zum letztenmal) gebrochen, sie mußte noch den Rest der abgesprochenen zwölf Monate bei der englischen Familie abdienen, ging dann aber zurück nach Deutschland. Lange, lange Zeit dachte sie noch an Martin, aber sie war jung und nicht depressiv veranlagt. Daher nahm sie auch ohne weiteres das Geld an, das ihre Mutter ihr gab, damit sie mal "auf andere Gedanken" kommen könnte, wie sie es sagte. Greta hatte gerade einen Artikel über die Costa Brava in der "Brigitte" gelesen und buchte mit dem Geld eine Reise in diese exotischen Gefilde.



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Und jetzt schließt sich der Kreis, denn dort, wie gesagt, traf Greta José, der ja jetzt in Bad Oldesloe von ihrer begeisterten Mutter in Empfang genommen wurde.

Die Stadt an sich interessierte José nicht sehr, eigentlich gar nicht, denn schon am nächsten Tag (die Nacht hatte er natürlich allein im Hotel der Stadt verbracht) bat er Greta, doch ein paar Tage Urlaub zu machen und mit ihm nach Dänemark zu fahren.

Und dort 'geschah’ es... José sah in Greta bereits seine zukünftige Frau, also waren sie seiner Meinung nach praktisch verheiratet und deswegen war jetzt auch richtiger Sex erlaubt. Greta konnte es ebenfalls kaum erwarten, daß dieser feurige Spanier ihr endlich zeigte, wie feurig er wirklich war. Sie war schon lange mit keinem Mann mehr zusammengewesen und da sie alles andere als kaltblütig war, war sie es, die – kaum in Kopenhagen angekommen – ein Zimmer im erstbesten Hotel buchte, schnell dem Pagen ein Trinkgeld gab, noch schneller im Badezimmer verschwand und sich dann erwartungsvoll auf dem großen Bett aus- und dem erstaunten José die Arme entgegenstreckte. So leicht hatte es sich José nicht vorgestellt, Greta herumzukriegen, und kaum lag seine hektisch ausgezogene Hose auf dem dicken Teppichboden, als... der Sex auch schon vorbei war. Wenn das, was in einer Sekunde geschah, überhaupt Sex genannt werden kann, denn der einzige Beweis war eine kleine Lache auf Greta’s Oberschenkel, weil José nicht weiter gekommen war, bis er seiner Erregung nicht mehr Herr wurde.

Greta war zuerst erstaunt, dann frustriert und als sie dem zerknirschten und verlegenen José mit Lexikon und Zeichen zu verstehen gab, daß er ja in diesem Notfall auch mal seine Finger bei ihr einsetzen könnte, ging er nicht darauf ein, sondern meinte, sie bräuchte nur ein wenig zu warten, denn in wenigen Minuten wäre er bereit, ihr zu zeigen, was für ein potenter Mann er doch eigentlich war.

Potent war er wirklich, denn in dieser Nacht 'vereinigte’ er sich mit Greta sage und schreibe acht Mal. Schade war nur, daß jede 'Vereinigung’ nicht länger als höchstens fünf Sekunden dauerte, was bedeutete, daß Greta auch nach dem achten Mal noch genauso frustriert war, wie bei der Ankunft im Hotel. Nach dem letzten Potenzbeweis schlief José erschöpft ein und Greta machte kein Auge zu.

Sie traute sich nicht, selbst Hand an sich zu legen, denn wäre José dabei aufgewacht, hätte sie sich furchtbar geschämt.



Als José am nächsten Morgen erneut potent aufwachte und Greta wieder erfreuen wollte, drückte sie ihn von sich. Mit ihren paar Spanischbrocken versuchte sie ihm klarzumachen, daß sie mehr bräuchte, als fünf Sekunden, um ebenfalls zum Höhepunkt zu kommen und geleitete seine Hand zu ihren erregten inneren Gefilden. In der Beziehung schien José völlig unerfahren zu sein, denn auch nachdem Greta ihm gezeigt hatte, was er zu tun hatte, taten seine Finger ihr mehr weh als gut. Doch dank ihrer so lange aufgestauten Erregung brauchte Greta praktisch nur einen Finger auf ihrer erogensten Zone zu spüren, als sie auch schon geräuschvoll kam. Gleichzeitig stürzte José sich wieder auf sie und auch wenn es diesmal wieder nur wenige Sekunden dauerte, bis José ebenfalls stöhnte, war es für Greta doch ein voller Genuß.



Es verging nur ein knapper Monat nach dem Miniurlaub in Dänemark, bis Greta dann wirklich überglücklich und mit drei Koffern, in denen alle ihre Habseligkeiten verstaut waren, auf dem Bahnhof von Barcelona ankam und von einem noch glücklicheren José plus Mutter plus Vater plus Bruder plus Schwester plus Großvater plus Tante plus Onkel empfangen wurde. Von jedem wurde sie auf beide Wangen geküßt, José's Vater näherte sich wohl allzusehr ihrem Mund, woraufhin sie den ersten haßerfüllten Blick von José's Mutter auffing. Den ersten, aber ganz bestimmt nicht den letzten. Aber das bekam Greta gar nicht so richtig mit, denn jetzt war sie ja wirklich und für immer in Barcelona und in Spanien. Ein Traum schien wahr geworden zu sein.



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Der Traum dauerte knapp fünf Monate, bis Greta feststellen mußte, daß sie schwanger geworden war. Es wurde schnell geheiratet, zuerst kam eine Tochter zur Welt und nach vier Jahren ein Sohn. Greta konnte inzwischen perfekt spanisch und bekam einen tollen Job als Chefsekretärin bei einer deutschen Firma in Barcelona. Und ab da wurde ihre Ehe zur Hölle. Aus dem niedlichen José, der sie anfangs auf Händen getragen hatte, wurde ein eifersüchtiger, dominanter Macho. Er konnte es nicht ertragen, daß Greta mit anderen Männern zusammenkam, daß sie mehr Geld verdiente als er und vor allem, daß sie nicht mehr kuschte. Durch ihren Job war sie sehr selbstsicher geworden und hörte auf, sich von ihrem Mann beherrschen zu lassen. Das konnte nicht gutgehen, denn zu der Zeit war in Spanien der Mann wirklich noch der 'Herr im Haus’ und eine Frau war 'nur’ eine Frau, die gehorchen mußte. Zuerst schlug José in seiner Wut nur Möbel kaputt, aber eines Tages schlug er auch Greta. Zwar entschuldigte er sich am nächsten Tag und meinte, mit einem Blumenstrauß wäre alles wieder in Ordnung, aber das war es nicht. Greta wollte und konnte nicht mehr. Es war aus und nach einer schrecklichen Trennung begann Greta ein neues Leben.



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Seitdem waren viele Jahre vergangen. Greta’s Kinder waren erwachsen und lebten nicht mehr bei ihr. Vor einigen Jahren hatte Greta ihren Job als Chefsekretärin verloren, weil die deutsche Firma geschlossen worden war. Da sie bereits über Vierzig war, bekam sie nur sehr spärliche Stellenangebote. Schließlich nahm sie einen Job als Übersetzerin in einer Patent- und Markenkanzlei an. Sie hatte keinen Spaß an ihrer Arbeit, denn als kreativer Mensch, der sie nun einmal war, hätte sie lieber etwas Interessanteres gemacht, als trockene juristische Übersetzungen, in denen es um Schutzverweigerungen, Rechtsbehelfe und verwaltungsgerichtliche Klagen ging. Außerdem war ihr Gehalt im Vergleich zu früher sehr knapp bemessen, aber Greta hatte keine Wahl, bis zur Rente würde sie wohl in dieser Kanzlei bleiben müssen.



Natürlich hatte Greta seit der Trennung von ihrem Mann auch einige Liebhaber gehabt. Aber richtig verliebt hatte sie sich nicht. Irgendwie paßten spanische Männer nicht zu selbstbewußten deutschen Frauen, oder jedenfalls nicht zu ihr. Schließlich hatte sich Greta wohl oder übel damit abgefunden, daß es in Spanien keinen Mann gab, der zu ihr paßte. Da sie aber Spanien im allgemeinen sehr liebte und da ja auch ihre Kinder hier lebten, wollte sie nicht zurück nach Deutschland. Also beschloß sie, bis auf weiteres ein männerloses Leben zu führen und legte sich eine Katze zu.



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2. Kapitel - ERIK DER WIKINGER


Es roch nach Frühling und zum erstenmal seit einigen Jahren hatte Greta Lust, sich zu verlieben. So richtig, mit Schmetterlingen im Bauch und allem was dazugehört. Greta hatte oft gehört, dass man diese Gefühle auch haben kann, wenn man schon älter ist.



Greta wollte sich verlieben, aber nicht in einen gewöhnlichen Spanier, von denen hatte sie genügend kennengelernt. Also keiner von denen, die waren weder treu noch ehrlich, außerdem ähnelten sie alle ihrem Ex-Ehemann, von dem sie sich vor so langer Zeit glücklich getrennt hatte. Nein, es mußte ein Mann sein, der so dachte wie sie, der sie verstand und der vor allen Dingen kein "Macho" war, also ein Deutscher. Deutsche gab es zwar zur Genüge in Barcelona, aber die meisten waren erstens verheiratet und zweitens zu jung oder zu alt für so eine Liebe, wie Greta sie sich vorstellte.



Doch da gab es ja seit kurzem den Internet-Anschluss in Greta’s Computer, denn, obwohl schon von reiferem Alter, war sie doch mit der Zeit gegangen und technisch interessiert - außerdem brauchte sie Internet auch für ihre Arbeit – denn da sie in der Patent- und Markenkanzlei nur sehr wenig Geld verdiente, besserte sie sich das Gehalt zuhause mit privaten Übersetzungen auf. Bisher hatte sie nie an die Möglichkeit gedacht, im Internet außer zusätzlicher Arbeit und Informationen eventuell auch ihren neuen Partner finden zu können, aber warum sollte die moderne Technik nicht ebenso bei der Suche nach Liebe nützlich sein?



Also ging sie - noch etwas unschlüssig - an ihren Computer. In den Sucher schrieb sie "Kontakte" und erschrak, als ihr Bildschirm nach mehreren Maus-Klicks plötzlich mit rosa Herzen übersät war, von denen eins sie aufforderte, doch ihre Annonce aufzugeben. So aus dem Stegreif fiel ihr nicht viel ein, außer, daß sie eben einen aufrichtigen und intelligenten Mann ohne Glatze zum Verlieben suchte, und, um zwischen den sicherlich vielen anderen Frauen, die genau dasselbe suchten, hervorzustechen, schrieb sie noch dazu, daß sie zwar in Barcelona (Spanien) wohnte, sich in dieser tollen Stadt aber trotzdem sehr allein fühlte. Schnell meinte sie auch noch, daß er so circa 45 bis 50 Jahre alt sein sollte und ohne Bierbauch. Dann drückte sie auf "Senden" und sah zu, wie die Annonce im virtuellen Universum verschwand. Würde es wirklich einen Mann geben, der ihr antwortete? Sie hatte zwar nicht ihr Alter angegeben (irgendwie war ihr das peinlich… ja, sie hatte deswegen ein paar Komplexe), aber doch immerhin einen Mann reiferen Alters erwünscht, von denen es im Internet sicherlich nicht allzuviele gab, da, wie man weiß, dieses Medium ja eine Domäne der Jugend ist, Durchschnittsalter der Internet-Benutzer nämlich 27 Jahre, wie Greta in einer Informatik-Zeitschrift gelesen hatte.



Am nächsten Tag arbeitete sie beschwingt, um sich abzulenken, und damit die Zeit schneller vorbeiging, bis sie wieder zuhause war und das Internet nach Post abfragen konnte. Endlich war es abends, sie schenkte sich einen großen Gin-Tonic ein, um vielleicht etwas gelassener an die ganze Angelegenheit heranzutreten, und drückte auf "Briefe lesen". Sie traute ihren Augen nicht, als ihr das Postprogramm mitteilte, daß sie ganze neun Briefe erhalten hätte. Sie schaltete den Internet-Anschluß wieder aus, denn immerhin hatte das Postprogramm die Briefe gespeichert, und es kostete kein Geld, sie off-line zu lesen. Inzwischen war der Gin-Tonic wie von Zauberhand ausgetrunken, aber sie brauchte Unterstützung zum Lesen, also mußte ein zweiter Gin-Tonic her, und dann war es soweit - der erste Brief:



Hast du einmal ein Afrikaner getraumt?

Ich bin ein sehr schon afrikaner aus Senegal

und sehr potent, wenn du Lust hast ein

intellektuelle Mann kenenlerne....



Diesen Brief las sie gar nicht erst durch, sondern klickte voll Hoffnung auf den zweiten:



"Ich bin genau der Mann, den Du suchst, denn ich habe keinen Bierbauch und kann Dir Luxus und Leidenschaft bieten. Meine beiden Villen und mein Rolls-Royce warten auf Dich, aber vorher möchte ich von Dir wissen, ob Du wohl meine Leidenschaft für S/M teilst und mitmachen würdest.."



Sie trank den Gin-Tonic in einem Zug leer - so hatte sie sich die Antworten nicht vorgestellt, aber der Alkohol gab ihr den notwendigen Mut, um auf den dritten Brief zu klicken:



"Meine Frau ist 58 und möchte unsere Beziehung interessanter gestalten… wir suchen Dich, um als Dritte im Bunde…."



Greta wurde schlecht, vielleicht vom Alkohol, vielleicht von den e-mails. Aber sie war kein Mensch, der schnell aufgab, deshalb "klick!" zum vierten Brief:



"Auf der Suche nach Mrs. oder Mr. Right? Dann lies weiter!

Der beliebte Singleclub "BODY4LUV" ist wieder Online.."



Greta war nach Weinen zumute - so sollte sie ihre neue Liebe finden? Mit nassen Augen klickte sie auf den fünften Brief:



"Nein,ich habe keinen Schmeerbauch und auch sonst noch ziemlich viele Haare auf dem Kopf.Ich meine,damit sind schon fasst alle notwendigen Kritterrieen erfüllt,oder?

Kurz zu meiner Person:

Ich bin ein Newcommer(herrlich dieses Neudeutsch) im Internett …"



Na ja, dachte Greta, wenigstens kein Perverser, aber wahrscheinlich auch kein Traummann, aber wenigstens dem könnte man mal schreiben…

Mit neuem Mut ging sie an den sechsten Brief:



"Hallo, Du..

ich bin genau in dem Alter, das Du Dir für Deinen Traummann wünschst, bin 1,81 m gross, habe noch beinahe alle meine Haare, bin Direktor einer Gesamtschule… und heiße Sven…"



Greta klopfte das Herz vor Freude, das war ganz bestimmt ihr Traummann, sie wollte ihm gleich sofort schreiben, aber weil es solchen Spass machte, las sie noch schnell den nächsten Brief:



"Hallo, du wunderschönes Wesen… schon lange habe ich nach Dir gesucht. Ich warte auf Dich hier in meiner Traumvilla auf Hawaii, zwanzig Zimmer werden zu Deiner Verfügung stehen. Bitte sag ja und mach mich zum glücklichsten Menschen auf Erden. Aber bevor ich Dir das Flugticket schicke, möchte ich Dir von einer kleinen Eigenheit berichten, die Du hoffentlich mit mir teilen wirst…. Ich liebe Einläufe aus Seifenwasser……"



Nachdem Greta bei den ersten Zeilen schon beinahe den Sven verworfen hatte, vergaß sie ganz schnell Hawaii und machte sich daran, dem Lehrer lieb zu schreiben.



Da sie lange allein gewesen war - und auch wegen der Gin-Tonics - floß ihr das Herz über und sie antwortete Sven über viele Seiten. Sie erzählte von ihren Träumen und Hoffnungen, von ihrer Einsamkeit und ganz am Schluß sprach sie ihre Hoffnung aus, ihn doch bald einmal persönlich kennenlernen zu können.



Greta kannte noch nicht die Internet-Etiquette. Sie wußte nicht, daß man erstens kurz und bündig schreiben, und zweitens bei einer sich zart anbahnenden Beziehung nicht vorgreifen sollte. Aber in ihr hatte sich so viel aufgestaut, daß sie sich praktisch schon an Sven's Seite sah.



Die nächsten Tage konnten nicht schnell genug vergehen, bis sie abends ihr Postprogramm checkte. Doch erst nach vier Tagen erhielt sie eine Antwort von Sven. Er dankte für ihren Brief meinte aber, dass solch eine Beziehung auf Distanz wohl doch zu kompliziert wäre, und ausserdem hätte er sich in den letzten Tagen mit einer netten Nachbarin angefreundet… Es gab Greta einen Stich ins Herz und sie war beinahe gewillt, die Idee des "Sich-Verlieben’s" aufzugeben, doch auf einmal erinnerte sie sich daran, daß sie damals ja nicht alle Briefe gelesen hatte.



Nummer sieben war noch eine Internet-Agentur für Heiratswillige, aber dann kam die Nummer acht:



"1,83" lautete der Titel des Briefes. Trotzdem sie es besser wissen sollte, begann Greta’s Herz wie verrückt zu klopfen…



"Ich hoffe ich darf dir ab dieser Größe antworten.

Außerdem bin ich gezwungenermaßen allein, habe schon 48 Jahre

Lebenserfahrung (sehr schöne und sehr böse) hinter mir und kann deshalb

kein Macho sein.

Deshalb würde ich mich sehr auf einen Kontakt mit dir freuen.

Vielleicht wird auch eine Romanze daraus."



Sofort antwortete Greta ihm, nicht mehr so lang aber trotzdem lieb. Und ab sofort begann ein intensives Austauschen von e-mails, und während der nächsten Tage erfuhr sie, daß er Erik hieß (für sich nannte sie ihn "Erik, der Wikinger"), daß er schon zweimal verheiratet gewesen war, ihn aber beide Frauen verlassen hatten, ohne daß er sich einer Schuld bewußt war, und daß er außer seiner Hündin niemanden liebte, sich aber nach der Liebe einer Frau sehnte….



Greta verliebte sich. Das war genau der Mann, nach dem sie gesucht hatte. Der liebe Gott oder wer auch immer hatte ein Einsehen gehabt. Das war kein Zufall sondern Schicksal. Zwei Menschen über viele Kilometer voneinander getrennt, fanden sich übers Internet.



Eine halbe Stunde, nachdem Greta Erik ihre Telefonnummer mitgeteilt hatte, klingelte ihr Telefon. Der erste wirkliche Kontakt. Erik hatte eine warme, zärtliche Stimme. Er erzählte ihr, daß ihm schon seit langem keine Frau gefallen hätte und daß er auf die Annonce zwar mehr aus Jux geantwortet, jetzt aber Klarheit darüber hätte, daß ihn seine Gefühle für Greta überwältigten… Für diese netten Worte mußte Erik belohnt werden, also schickte ihm Greta ein Foto durchs Netz. Gleich nachdem er es erhalten hatte, rief Erik wieder an und war lichterloh entflammt. Sie wäre die schönste und erotischste Frau, die er seit langem gesehen hätte. Greta wusste zwar, dass sie nicht allzu häßlich war, aber diese leidenschaftliche Anhimmelung vonseiten Erik’s bewies ihr, daß er wirklich und ehrlich verliebt in sie war.



Erik rief jeden Tag an. Während mindestens einer Stunde erzählte man sich sein ganzes Leben. Auch Erik schickte Fotos. Zwar hatte er keinen Bierbauch (immerhin war er ein durchtrainierter Feuerwehrmann), aber stattdessen hatte er eine Vollglatze. Die war zwar gar nicht nach Greta’s Geschmack, aber "nobody is perfect" dachte sie, und fing sogar an, die Glatze sexy zu finden. Erik schickte auch Bilder seiner Wohnung.. Von der traurigen Küche, die nur darauf wartete, daß Greta kam und sie in Besitz nahm.. Seine Hündin, die sich nach einem Frauchen sehnte, seine Freunde, die sich um Erik Sorgen machten, weil ein so patenter Mann doch wirklich eine dritte Frau verdiente…

Greta schwebte auf Wolken. Jeder Tag bekam erst Sinn um 21.05 Uhr wenn Erik anrief (ab 21.00 Uhr war der Tarif billiger).

Greta blühte auf, wurde wirklich wieder jung, und als man endlich beschloß, daß Erik in rund acht Wochen zu Besuch nach Barcelona kommen wollte, begann Greta eine Diät. Was ihr vorher nie gelungen war, klappte jetzt sofort. Sie fing an, wie verrückt abzunehmen. Damit ihre Haut nicht noch faltiger wurde, ging sie zu einem Schönheitsinstitut, wo man sie mit Massagen, Algenmasken und elektrischen Geräten fit machte - und ihr viel Geld abnahm. Aber was war Geld im Vergleich zu der Aussicht, Erik zu gefallen? Greta hatte ihm nie ihr Alter mitgeteilt, er nahm einfach an, daß sie Anfang Vierzig war - also mußte sie auch so aussehen.

Greta nahm in zwei Monaten vierzehn Kilo ab. Aber jeden Tag bewiesen ihr Erik’s Anrufe, daß keine Anstrengung zuviel war.



Greta war glücklich. Das Leben hatte einen Sinn bekommen. Beide wußten, daß sie für den Rest ihres Lebens zusammen bleiben wollten. Zuerst kam Erik nach Barcelona, dann sollte Greta im Oktober für einige Tage nach Ludwigshafen kommen, um zu prüfen, ob ihr wohl ein Leben in Deutschland wieder gefallen könnte.. jedesmal wenn Erik das sagte, lächelte Greta vor sich hin - jedes Leben würde ihr gefallen mit Erik.



Eriks Briefe und Anrufe wurden von Tag zu Tag leidenschaftlicher und seine Fotos immer intimer. Aber Greta fand nichts dabei, denn man liebte sich ja. Alles wußte man voneinander, Träume, Hoffnungen, Ängste, Abneigungen, Vorlieben… einfach alles. Bei einer so leidenschaftlichen Liebe, die beide für den anderen empfanden, war es doch nur logisch wenn man auch mit dem sexuellen Kennenlernen nicht warten konnte, bis man sich richtig - und nicht nur virtuell - in die Arme nahm. Also ließ Greta es zu (zum erstenmal in ihrem Leben..), dass Erik seine sexuellen Phantasien am Telefon auslebte, er beschrieb ihr in allen Einzelheiten, was gerade mit seinem Körper passierte, während er Greta’s zärtlichen Worten zuhörte und wie er seinem Verlangen Abhilfe beschaffte. Und obwohl es Greta zuerst ein bisschen peinlich war (aber außer ihrem Kater sah es ja niemand, und den interessierte es nicht besonders), ließ sie sich von seinen Beschreibungen mitreißen, schloß die Augen und stellte sich vor, daß es seine Hände waren, die sie zärtlich berührten. Erik stöhnte durch das Telefon und Greta mit ihm im Takt. Hinterher lachten sie dann ein wenig schüchtern - nun hatten sie also schon zusammen Liebe gemacht, bevor sie sich jemals wirklich in die Arme geschlossen hatten. Ab diesem Moment liebten sie sich telefonisch mindestens einmal die Woche. Greta fieberte diesen Anrufen entgegen, sie konnte schon an nichts anderes mehr denken, so etwas war ihr noch nie passiert… wenn Erik sie schon am Telefon zu solchen unbeschreiblichen Gefühlen hinreissen konnte - wie musste es dann erst sein, wenn er wirklich bei ihr und in ihrem Bett war?



Der Tag seiner Ankunft rückte näher, die überflüssigen Kilos waren runter, die Haut ein bißchen straffer (Greta’s Geldbeutel sehr viel leerer), der Kleiderschrank aufgefüllt und das Herzklopfen wurde unerträglich.

Schon seit mehreren Tagen hatte Greta Schlafstörungen - es war ihr unmöglich, sich auf irgendetwas anderes zu konzentrieren, als seine bevorstehende Ankunft. Im Büro passierten ihr ein paar schwer wiedergutzumachende Fehler bei den Übersetzungen, also nahm Greta schon Urlaub, bevor Erik überhaupt da war. Um die Zeit zu überbrücken, fing sie an, die Wohnung sauberzumachen, und als sie damit fertig war, begann sie sogar, den Kater zu bürsten, was der sich gern gefallen ließ, aber als sie ihn dann baden wollte, nahm er doch Reißaus…



Greta hatte Erik auch einen Stadtplan mit der dick eingezeichneten Wegbeschreibung zu ihrer Wohnung gefaxt. Sie brauchte also an diesem besagten Donnerstag nichts anderes tun, als sich toll zu schminken und anzuziehen und auf das Klingeln an der Tür zu warten. Das Klingeln kam vier Stunden später als erwartet (denn Erik hatte sich trotz Wegbeschreibung verfahren), aber dann stand er wirklich vor ihr. Man umarmte sich und "beschnüffelte" sich zum erstenmal (natürlich hatte Greta viel Geld für ein teures Parfüm ausgegeben) - daß Erik nach Schweiß roch, war ja ganz normal nach der langen Fahrt… Nach der Umarmung stellte Greta Erik erst einmal dem Kater vor (der sich unters Bett verkrochen hatte, denn er hatte natürlich sofort gemerkt, daß Erik nach seinem Hund roch), zeigte ihm dann in zwei Minuten die kleine Wohnung (und erhielt den ersten negativen Eindruck von Erik, als der weder ihre selbstgemalten Bilder bewunderte, noch sonst einen Kommentar über ihr zuhause abgab..), dann schlug sie ihm vor, doch zu duschen, während sie eine Flasche Sekt öffnete. Erik hielt zwar viel von der Flasche Sekt, aber das Duschen wollte er für später aufheben. Greta fand seinen Geruch zwar nicht sehr angenehm, aber nach drei oder vier Glas Sekt konnte sie ihn aushalten.



Greta hatte sich die erste "richtige" Unterhaltung toll und bewegend vorgestellt, aber schnell merkte sie, daß man ja schon alles voneinander wußte, und daß alles, was man sagen konnte, schon vorher telefonisch gesagt worden war… außerdem wollte Erik lieber die Stadt sehen, denn deswegen war er ja hergekommen, wie er sagte (den zweiten negativen Stich im Magen ignorierte Greta, denn was Erik wahrscheinlich sagen wollte war, dass er zwar wegen ihr nach Barcelona gekommen war, aber die Stadt natürlich auch ein wenig kennenlernen wollte..). Also nahm sie ihn an die Hand und begann mit der Stadtbesichtigung.



Erik war begeistert. Nach zwei Stunden taten Greta die Füße weh und sie schlug ihm vor, sich doch auf eine Terrasse zu setzen und dem Treiben im Sitzen zuzusehen. Erik wäre zwar lieber weitergegangen, aber er hatte auch nichts dagegen einzuwenden, mal richtige spanische Delikatessen zu probieren. Er aß sich durch die gesamte Speisekarte und bot sogar einer glutäugigen Nachbarin vom Nebentisch, die diesen weißhäutigen Deutschen neugierig von oben bis unten begutachtete, Kostproben an. Die Spanierin konnte ein bißchen englisch und kokett lachen konnte sie auch. Greta sprach währenddessen dem schweren Rotwein zu und war auf einmal gar nicht mehr so happy. Zum Glück kam nach einer Weile der Freund der Spanierin und endlich widmete Erik wieder dem Essen und Greta seine Aufmerksamkeit. Als Greta ihm vorwurfsvoll (der Wein hatte sie ziemlich locker gemacht) sein Flirten vorhielt, fragte Erik ein bißchen zynisch, ob sie wohl Probleme mit Eifersucht hätte, denn dann wäre ihre Beziehung wohl zum Scheitern verurteilt, weil er furchtbar gern flirtete. Greta mußte erstmal schlucken, aber dann meinte sie, daß, wenn es nur beim Flirten bliebe, sie nichts dagegen hätte, daß für sie aber Seitensprünge nicht zu einer funktionierenden Beziehung gehörten. Erik konnte darauf nicht mehr antworten, denn gerade kam der Kellner, um zu kassieren. Jetzt stellte sich heraus, daß Erik vergessen hatte, seine Geldbörse einzustecken (die war bei Greta in der Wohnung geblieben), aber zum Glück hatte Greta genug Geld dabei.



Erik wäre gern noch irgendwohin gegangen (er sagte was von "Flamenco"…) aber Greta’s Geld hätte nicht mehr gereicht, also ging man nachhause. Gretas Herz klopfte - endlich würde sie die herrliche, lang ersehnte "richtige" Liebesnacht erleben. Aber schon im Fahrstuhl begann Erik, über Kopf- und Magenschmerzen zu klagen. Logisch, der Wein und das spanische Essen… Gretas Euphorie sank ziemlich, denn bei dem Zustand konnte Erik wohl nicht zugemutet werden, noch Leibesübungen zu machen. Sie bot ihm zwar ein gutes Medikament an, das sie da hatte, aber Erik meinte, mit ein paar Stunden Schlaf würde sich alles von allein kurieren. Zum Duschen kam er wieder nicht, denn er fühlte sich wirklich viel zu schlecht. Er zog mit Mühe und Not seine Hose aus, sank aufs Bett und war auch schon eingeschlafen. Neben ihm lag eine enttäuschte Greta, die bis morgens um fünf vor Enttäuschung und aufgrund des unangenehmen Geruches, den ihr Bettnachbar ausströmte, kein Auge schloß.



Mit Augenringen bis zu den Knien stand sie schon um sieben Uhr morgens auf (während Erik noch glücklich schnarchte) und ging zum Markt.

Als Erik gutgelaunt und voller Tatendrang um zehn Uhr aufstand (hurra - endlich lernte er auch die Dusche kennen!!) und frisch parfümiert auf der Terrasse erschien, fand er einen appetitlichen Frühstückstisch vor, auf dem nichts fehlte… Erik langte kräftig zu (von seiner Magenverstimmung war scheinbar nichts übrig geblieben), und während Greta das Geschirr wegräumte, sonnte er sich und erzählte ihr von der Terrasse aus, was er alles unternehmen wollte. Er hatte einen Reiseführer vom ADAC dabei und wusste genau, welche Sehenswürdigkeiten ihn am meisten interessierten.



Der Tag verging mit Auf- und Abmarschieren durch ganz Barcelona. Zum Glück hatte Greta flache Schuhe angezogen, aber schon beim Mittagessen (in einem Restaurant, das im Reiseführer als das billigste angegeben war..) paßten ihre Füße kaum noch in die Sandalen. Als der Kellner zum Kassieren kam, suchte Erik zwar lange nach seiner Geldbörse, da aber Greta keine Anstalten machte, wieder zu bezahlen, blieb ihm schließlich nichts anderes übrig. Aber immerhin verglich er jeden Preis auf der Rechnung mit dem in der Speisekarte und meinte dann, daß Spanien wohl doch nicht so billig wäre, wie er gedacht hätte, und dass man die nächsten Tage besser zuhause essen sollte. Naja, dachte Greta, er ist eben ein sparsamer Mann, das ist gar nicht schlecht, wenn man an die gemeinsame Zukunft denkt.



Abends um zehn kam man zuhause an, und trotzdem ihre Füsse furchtbar weh taten, bereitete Greta noch ein kleines Abendbrot, und freute sich zu sehen, wie es Erik schmeckte.



Endlich für es Zeit fürs Bett… Erwartungsvoll küßte Greta den Erik, nahm ihn bei der Hand und führte ihn zu dem Bett, auf dem sie die letzte Nacht so schlaflos verbracht hatte. Sie war jetzt zwar todmüde, aber das Verlangen, Erik endlich wirklich lieben zu können, war viel stärker als jede Müdigkeit.



Nach fünf Minuten (höchstens) war alles vorbei. Erik drehte sich zur Seite und fing an zu schnarchen. Greta kam es vor, als ob sie im falschen Film wäre… das sollte derselbe Erik sein, der am Telefon ausführlich alle Einzelheiten beschrieben hatte, die er zum gegenseitigen Entzücken bei der Liebe machen wollte? Einen Augenblick dachte Greta ernsthaft an die Möglichkeit eines schlechten Scherzes, aber dann verwarf sie den Gedanken wieder und entschuldigte Erik stattdessen mit der Klimaumstellung...



Am nächsten Tag lernte Greta Erik’s Porsche kennen. Ein toller Wagen, natürlich offen und weiß, und sogar Erik’s Mütze paßte zum Auto (die Mütze brauchte er, damit seine Glatze keinen Sonnenbrand bekam). Auf gings direkt ans Mittelmeer, wo Greta’s Kinder wohnten. Greta’s Tochter hatte in einem wunderschönen malerischen Restaurant, von dem man ganz weit über das Meer sehen konnte, einen Tisch reserviert. Das Essen war einsame Spitze, obwohl Greta es kaum genießen konnte, denn sie war ja die Dolmetscherin. Zufällig mußte Erik auf die Toilette, genau in dem Moment, als die Rechnung auf den Tisch gelegt wurde. Da es ziemlich lange dauerte, bis er wiederkam, bezahlten Greta und ihre Kinder die (ziemlich hohe) Rechnung zu gleichen Teilen, was Erik gar nicht mitbekam, denn man traf ihn vor der Toilettentür beim Hinausgehen. Es war Greta peinlich, mit Erik über Geld zu reden, sie war es nicht gewohnt, einen Mann auf dieses Thema anzusprechen. Denn, wie gesagt, daß der Mann in Spanien immer noch vor die Frau gestellt wird, hat auch seine Vorteile - die spanischen Männer sind sehr großzügig und ihr Stolz läßt es nicht zu, daß eine Frau sie einlädt. Aber da Erik kein Spanier war, hatte er eben andere Sitten. Und immerhin, sie wollte diesen schönen Tag genießen, auch wenn sie gedanklich alle Freunde und Bekannten durchging, die ihr wohl diesen Monat Geld leihen mussten.



Gretas Kinder luden in einem Strandcafé noch zu einem weiteren Kaffee ein und schlugen Erik auch nicht den Wunsch nach einem echten alten spanischen Cognac ab. Als Erik ganz intensiv mit einer bildhübschen Spanierin (die ein paar Jahre in Deutschland gelebt hatte und deswegen keine Dolmetscherin benötigte) flirtete und sich sogar zu ihr an den Tisch setzte, fanden Greta’s Kinder Erik allerdings gar nicht mehr so nett. Aber Greta beschwichtigte sie und erklärte ihnen, daß in Deutschland die Sitten eben andere wären. Gretas Kinder waren jedoch nicht so leicht zu überzeugen und verabschiedeten sich schnell (Erik winkte ihnen vom Nebentisch zu), so daß Greta dann ganz allein am Tisch sitzenblieb und sich ziemlich doof vorkam. Auch merkte sie, wie eine ungeheure Wut, ein Gemisch aus Eifersucht und verletztem Stolz, in ihr hochstieg, die noch schlimmer wurde, als sie sah, wie Erik mit der spanischen Señorita Visitenkarten austauschte. Einen Moment lang dachte Greta sogar daran, einfach aufzustehen und zu gehen, doch das wäre auch keine Lösung gewesen, denn Erik wollte ja erst in vier Tagen zurück - aber Greta merkte, wie ihre ganzen Hoffnungen sich irgendwie in Luft auflösten, und wie sie sich von Minute zu Minute schlechter und verzweifelter fühlte. Als die Spanierin sich von Erik mit zwei Küsschen auf die Wangen verabschiedete (das ist in Spanien so Sitte und bedeutet nichts, auch wenn Greta sah, wie Erik diese Zärtlichkeit unverhohlen genoß..), kam er dann endlich gutgelaunt zurück zu Greta und verstand ihre Eifersucht überhaupt nicht. Als er ihr einen zärtlichen Kuss auf den Mund gab, und ihr beteuerte, daß er nur sie liebte, und alles andere nur Spiel sei, verflogen Gretas Zweifel ein wenig, sogar so sehr, dass sie sich traute, ihn doch zu fragen, wie er sich denn die gemeinsame Zukunft vorstellte. Die Frage traf Erik wohl ein wenig unvorbereitet, denn an seinen Antworten merkte Greta, daß die Pläne, die man per Telefon schon gemacht hatte, wohl doch nicht mehr so aktuell waren. Er meinte nur, daß man abwarten sollte, es würde sich schon alles finden. Die Antwort reichte Greta aber nicht und sie wollte es genauer wissen. Ja, meinte Erik, das Wichtigste ist erst einmal, daß du einen gutbezahlten Job in meiner Stadt findest, denn du wirst ja wohl nicht erwarten, daß ich dich durchfüttere… Aber, meinte Greta zweifelnd, das könnte unter Umständen lange dauern, denn bei meinem Alter…usw.

Tja, sagte Erik da frohgemut, und bestellte sich noch einen Cognac, dann tut es mir leid, aber wenn du keinen Job hast, kannst du auch nicht zu mir kommen, denn ich würde nur wegen einer Frau niemals meinen Lebensstandard senken, dann bleibst du eben hier, und ich sehe dich spätestens nächstes Jahr im Sommer wieder, dann werde ich einen ganz langen Urlaub bei dir machen… denn Spanien und seine Leute fangen an, mir wirklich gut zu gefallen...

Jetzt sank Gretas Herz bis zu den Knöcheln, so hatte sie sich seine Pläne wirklich nicht vorgestellt. Ab da war sie sehr schweigsam und nachdenklich, was Erik aber gar nicht auffiel, denn auf der Nachhausefahrt genoss er die Aussicht auf das Mittelmeer und die bewundernden Blicke der einzelnen Spanierinnen (und neidischen der Spanier) auf sein Auto. Zuhause angekommen, duschte Erik freiwillig, parfümierte sich verschwenderisch, und meinte, daß er Lust hätte, Barcelona auch mal allein zu entdecken. Er erzählte Greta, daß die Spanierin ihm ein paar Tips gegeben hätte, wo man als einzelner Ausländer in Barcelona ein paar schöne Stunden verleben könnte, und da Greta so müde aussehen würde, wollte er sie nicht noch mehr ermüden, und er ihr also nur einen Gefallen tat, wenn er allein auf Tour ging.



Nachdem er die Tür hinter sich zugemacht hatte, weinte Greta erst einmal eine ganze Zeitlang, dann rief sie eine Freundin an und erzählte ihr alles. Die Freundin meinte nur kurz "Rauschmeißen!" Aber so schnell wollte Greta nicht aufgeben. Sie war der Ansicht, daß eventuell doch noch alles gutwerden könnte, denn Erik war doch immerhin aus Liebe gekommen, und nicht nur, weil er ein billiges Hotel suchte, oder? Gretas Freundin schnaufte nur verächtlich und meinte, daß ihr wohl nicht zu helfen wäre…

Da nichts weiter zu tun war, räumte Greta ein wenig die Wohnung auf und ging dann ins Bett. Sie schlief nicht ein bis kurz vor fünf und als Erik um sechs nachhause kam, war ihre Nacht zuende. Erik schien vollkommen erschöpft zu sein, denn er sagte nur, dass er eine tolle Zeit verbracht hätte, daß er "zufällig" die Spanierin aus dem Strandcafe wiedergetroffen hätte, und daß sie ihn um zwölf Uhr abholen würde, um mit ihm zu einer richtigen spanischen Hochzeit zu gehen. Greta war sprachlos, besonders als er ihr übers Haar strich und meinte, daß sie sich einen Tag wohl auch allein beschäftigen könnte… sie konnte ihm nicht mehr antworten, denn nachdem sie tief Luft geholt hatte, um sich ein wenig zu sammeln, war er schon eingeschlafen.



Während er schlief, verbrachte sie ihre Zeit damit, zu weinen und gleichzeitig seinen Koffer zu packen und auch nichts zu vergessen. Als er dann um halb zwölf endlich aufwachte, fand er keinen toll gedeckten Frühstückstisch vor, stattdessen aber sein Gepäck neben der Eingangstür. Gretas Wut war inzwischen größer als ihre Trauer, deswegen blieb es ihr erspart, vor Erik heulen zu müssen. Erik verstand die Welt nicht mehr und fragte sie zum Schluß nur, ob sie ihm wenigstens das Geld für die Garage geben könnte, denn immerhin hatte er die ja auch noch für die nächsten drei Tage gemietet. Und wenn Greta ihn jetzt hinausschmiß, wäre es doch wohl nur fair, wenn sie die Garage bezahlen würde. Als Greta ihm seine Bitte abschlug, fing er sogar an zu schreien (nichts war mehr übrig von seiner zärtlichen Telefonstimme..) und meinte, daß sie ihn unter Vortäuschung falscher Tatsachen hierhergelockt hätte. Denn wenn sie ihm schon am Telefon erzählt hätte, daß sie so prüde und eifersüchtig wäre, dann wäre er gar nicht erst gekommen, und daß er außerdem angenommen hätte, daß sie viel jünger wäre...



Die Tür ging hinter ihm zu und Greta fing wieder an zu weinen. Alle ihre Träume verpufften, die Hoffnung auf eine Zukunft mit dem Mann ihrer Träume. Wo war eigentlich der Erik aus dem Internet geblieben? Er hatte nichts gemeinsam mit dem Mistkerl, der gerade für immer aus ihrem Leben verschwunden war. Wie konnte ein Mensch nur zwei so verschiedene Persönlichkeiten haben? Oder hatte sie sich per Distanz auch anders gegeben, als sie wirklich war? Greta wurde klar, daß auch sie einige schwerwiegende Fehler gemacht hatte und daß Erik vielleicht gar nicht mal so Unrecht hatte, wenn er meinte, daß sie ihm falsche Tatsachen vorgetäuscht hätte, denn so frei wie sie sich per Telefon gegeben hatte, war sie ja eigentlich gar nicht, und nie hatte sie ihm gesagt, wie alt sie wirklich war. Ach, was war es nur einfach, per e-mail oder Telefon Sachen zu sagen, die man in Wirklichkeit nicht über die Lippen brachte, und andere Sachen ganz einfach verschwieg…



Greta weinte den ganzen Tag. Irgendwie wartete sie darauf, daß das Telefon klingelte und Erik sie bat, ihm zu verzeihen. Aber das Telefon blieb still und als es Nacht wurde, mußte Greta endlich zugeben, daß die "Episode Erik" wohl zuende war.



Was nun? Kostbare Zeit war verflossen, Träume waren zerplatzt und Greta stand wieder so da, wie an jenem besagten Tag, als sie ihre Annonce im Internet aufgegeben hatte. Aber wer sagte eigentlich, daß jeder im Internet so ein Typ wie Erik war, sicher gab es doch auch anständige Männer, die wirklich nur eine ganz normale Frau suchten. Greta mußte sich einfach ablenken, was lag da näher, als ins Internet zu gehen… Sie hatte schon tagelang ihre Post nicht mehr abgerufen, logisch, seitdem sie Erik kannte, interessierten sie andere Männer nicht mehr.

Also, klickte sie auf "In-Box" und traute ihren Augen nicht, als ihr Server ganze ZWEIUNDDREISSIG e-mails bei ihr ablieferte.



Greta’s Herz fing wieder an zu klopfen und ihre Trauer um Erik rutschte ziemlich in den Hintergrund (dafür hatte sie jetzt keine Zeit), stattdessen öffnete sie die erste mail. Ihr Bildschirm zeigte auf einmal das Foto eines sympathischen gutaussehenden Mannes, mit voller Haarpracht, und die Überschrift seines Briefes: "Schlaflos in Oberursel" ….



"Seitdem ich Deine Annonce gelesen habe, liebe Greta, konnte ich nicht mehr schlafen. Bitte antworte und sag mir, daß Du mich auch sympathisch findest. Ich weiß, daß ich mein Leben lang nach Dir gesucht habe… Greta, Du bist alles, was ein Mann sich nur wünschen kann. Bitte sag mir, dass ich Dich besuchen kommen kann. Ich muss Dich kennenlernen. Wenn es Dir recht ist, könnte ich schon für das nächste Wochenende einen Flug buchen…."



Greta sah sich das Foto noch einmal mit dem "Zoom" an… doch, dieser Mann (er hiess Björn) sah wirklich viel besser aus als Erik, und seine Worte klangen so aufrichtig….. Greta faßte neuen Mut und begann, seinen Brief zu beantworten...



**********



3. Kapitel - SCHLAFLOS IN OBERURSEL

Greta las Björn's erstes mail ohne Gin-Tonic, denn sie wollte ja schlank bleiben und ausserdem auch nicht von dem Alkohol in eine künstliche Euphorie versetzt werden, die sie der Realität entzog. Denn was das brachte, hatte ja die "Erik-Episode" bewiesen. Aber von den Zigaretten hatte sie nie lassen können, immerhin brauchte der Mensch mindestens ein Laster... das hatte sie mal irgendwo gehört und den Satz wiederholte sie innerlich jedesmal, wenn sie sich eine ansteckte. Also auch jetzt... genussvoll sog sie den Rauch ein und sah wie gebannt auf sein Foto, ja, gut sah er wirklich aus und - obwohl scheinbar schon in reiferem Alter – hatte er noch alle seine Haare. Sie hatte eben etwas gegen Glatzen und so verliebt sie auch in Erik gewesen war, seine Glatze hatte sie doch irgendwie gestört. Björn hiess er also - ein schöner Name, er passte zu ihm. Doch nun ging es daran, seinen elektronischen Brief zu lesen:



Subject: Schlaflos in Oberursel



Liebe Greta,

seitdem ich Deine Annonce sah, habe ich viele Flugzeuge im Bauch. Ich möchte Dir ganz viel sagen, doch gehen mir so viele Gedanken durch den Kopf, dass ich nicht den richtigen Anfang finde (Aufregung und das mit 47 Jahren!!) ...Zuerst einmal werde ich Dir über mich in Form eines Lebenslaufes berichten...



Und er schilderte ihr in vielen Details sein ziemlich trauriges Leben. Seine Ex-Frau hatte ihn wegen einem Anderen verlassen, und ihm ausserdem das Haus weggenommen, dann hatte er vor zwei Jahren eine in Deutschland ansässige Italienerin kennengelernt, die aber neben ihm noch mit anderen Männern schlief und er deswegen seit einigen Wochen keinen Kontakt mehr mit ihr hatte. Da sie aber in derselben Firma arbeitete wie er, musste er notgezwungenermassen jeden Tag mitansehen, wie sie mit ihrem neuen Freund, dem Abteilungsleiter, herumschäkerte.



Greta wurde es warm ums Herz. Endlich mal ein Mann, der sich nicht scheute zuzugeben, dass er auch Gefühle hatte und leiden konnte. Wie einsam musste dieser Mann sein, wenn er einer Wildfremden sein Herz ausschüttete und ihr von seinen Leiden berichtete.



Sofort antwortete Greta ihm und erzählte alle Details über ihr Leben, die in der Annonce ja nicht vorkamen. Sie berichtete von ihrer Einsamkeit in dieser grossen, grossen Stadt, darüber, dass sie sich auch nach so vielen Jahren nicht wie eine Spanierin fühlte und (damit er gleich wusste, wie ihre Zukunftspläne aussahen..) so sagte sie auch, dass ihr sogar die Sonne in Spanien auf die Nerven ging. Sie sich also sogar eine Zukunft in Deutschland vorstellen könnte. Sie schickte ihm ausserdem noch ein tolles Foto mit, das ihr Arbeitskollege vor wenigen Tagen von ihr gemacht hatte. Greta stand dort unter Palmen und die Entfernung zur Kamera liess sie aussehen, wie ein ganz junges Mädchen.

Greta schickte das mail klopfenden Herzens ab und machte sich dann daran, einen halbfertigen Pullover für ihren Sohn weiterzustricken. Den hatte sie angefangen, bevor ihr Erik zum erstenmal schrieb und danach hatte sie sowohl den Pullover wie auch alle anderen Hobbies vollkommen vergessen. Sie war ja auch zu beschäftigt gewesen mit der Diät, Erik's Anrufen und dem Warten auf seine Anrufe.



Kurz bevor sie ins Bett ging, machte sie auf gut Glück noch einmal das Postprogramm an, vielleicht hatte er es ja doch eilig genug gehabt, ihr gleich sofort zu antworten. Er hatte!!!!!!! Ein mail, das unwahrscheinlich lang brauchte, um durchzukommen (also mindestens noch ein Foto!!) lag endlich da zum Öffnen. Gretas Finger zitterten so, dass die Maus praktisch selbständig wurde und alles mögliche öffnete, bevor sie den Brief lesen konnte. Wie sie schon geahnt hatte, er hatte etwas mitgeschickt - aber nicht ein Foto, sondern die gescannte Kopie eines Flugtickets auf seinen Namen für übermorgen nach Barcelona. Gretas Knie fingen an zu zittern. Das ging ja nun doch ziemlich schnell, vielleicht sogar zu schnell, denn immerhin kannte sie diesen Mann doch noch gar nicht. In seinem Brief entschuldigte er sich für seine Ungeduld, aber er hätte einfach nicht länger warten können, er wollte sie kennenlernen. Damit sie aber nicht auf die Idee käme, dass er sie ausnutzen wollte (sie hatte ihm etwas von der verunglückten Erik-Episode berichtet..), bat er sie, ihm doch ein Zimmer in einem Hotel in ihrer Nähe zu reservieren.



Die zwei Tage bis zu seiner Ankunft vergingen wie im Flug. Obwohl Björn ja im Hotel wohnen würde, füllte Greta ihren Kühlschrank mit allen möglichen spanischen Leckerbissen (sie musste sich das Geld von ihrem netten Kollegen leihen.. denn seit Erik war ihre Geldbörse ziemlich leer), putzte aufs Neue die Wohnung, bürstete mal wieder den Kater und dann war es auch schon so weit: Sie stand mit klopfendem Herzen am Flughafen.



Sie sah ihn sofort, noch bevor er sie sah. Er war sogar noch attraktiver, als auf dem Foto! Eigentlich komisch, dass so ein Mann nicht ein Dutzend Frauen hatte, die mit ihm leben wollten. Als er sie sah, eilte er auf sie zu und gab ihr gleich einen Kuss auf die Lippen, so, als ob man sich schon ewig kannte und liebte. Als nächstes bekam Greta eine langstielige dunkelrote Rose, die trotz des Fluges noch frisch aussah und eine Flasche teures Parfüm hatte er ihr auch mitgebracht.



Scheinbar war Björn in Bezug auf Geld das Gegenteil von Erik, denn obwohl sie ihm vorschlug, mit dem Bus in die Stadt zu fahren, winkte er einem Taxi. Auf dem Weg zum Hotel hörten beide nicht auf, zu reden. Man entdeckte so viele Gemeinsamkeiten, sowohl was die Hobbies anging, als auch in Bezug auf unglückliche Lieben. Greta wurde es ganz warm ums Herz. Sie fühlte, dass sie diesen Mann bald wirklich lieben konnte. Erik war beinahe vollends vergessen.



Björn gefiel das Hotel, das Greta für ihn ausgesucht hatte und sie begleitete ihn auf sein Zimmer. Zum erstenmal ganz allein mit ihm, fühlte sich Greta doch etwas befangen. Aber Björn überbrückte diese Situation, indem er aus der Mini-Bar ein paar Drinks holte und sie anstiessen "auf eine gemeinsame Zukunft.." wie Björn sagte. Also konnte Greta sicher sein, dass sie ihm genauso gefiel wie er ihr.



Noch sicherer wurde sie, als er sie in die Arme nahm und sie leidenschaftlich küsste. Sie erwiderte seinen Kuss und spürte, wie er ihr zärtlich den Nacken streichelte. Er murmelte an ihrem Ohr, dass ihr Parfüm ihn ganz verrückt machte und beschäftigte sich weiter mit ihrem Nacken, während er gleichzeitig zärtliche Sachen mit ihrem Ohr machte - Greta bekam eine Gänsehaut und der angenehme Schauder wanderte über ihren ganzen Körper bis hinunter zu den Zehenspitzen.



Sie merkte, wie ausgehungert sie nach Streicheleinheiten war, aber nicht nur deshalb gefielen ihr seine zärtlichen Berührungen, sondern hauptsächlich, weil die Chemie zwischen ihnen einfach stimmte. Und also geschah, was sich Greta schon ganz lange und in ihren kühnsten Träumen nicht mehr vorzustellen gewagt hatte - sie war völlig willenslos. Björn, den sie ja erst seit einer Stunde richtig kannte, konnte jetzt alles mit ihr tun. Und, was sie selbst ein wenig verblüffte, sie schämte sich nicht einmal ihres Verlangens. Im Gegenteil, es kam ihr völlig selbstverständlich und normal vor - sie wollte nur, dass dieses wahnsinnige Verlangen nie wieder aufhörte. Jetzt auf einmal verstand sie den Satz aus ziemlich schlechten Romanen: "Sie war Wachs in seinen Händen!" Meine Güte, welche Hände dieser Mann hatte, und vor allen Dingen, was er mit ihnen anzufangen wusste!



Er führte Greta behutsam in eine Gefühlswelt, die sie schon so lange nicht mehr betreten hatte. Sie versank in Empfindungen, die wie eine tosende Brandung über ihr zusammenschlugen. Sie erlebte unendliche Höhen und es gab nichts anderes mehr, als nur noch sie beide. Die Welt ausserhalb dieser wundervollen Zweisamkeit existierte nicht mehr. Nur noch Björn und Greta. Zusammen flogen sie durch die immer wieder aufflammenden Glückseligkeiten, die die Berührungen ihrer Körper zustande brachten. Endlos, immer weiter und weiter.....



Aber nach Ewigkeiten irgendwann hörte Greta vor dem Hotel die Autos hupen, Leute, die auf dem Gang laut redeten und lachten, sie hörte Geschirr klappern und kam in die Wirklichkeit zurück - die Welt hatte sie wieder.



Björn war ein bisschen eingenickt und sah im Schlaf ganz jung aus, sein Kopf ruhte an ihrer linken Brust, die er noch vor wenigen Minuten so zärtlich liebkost hatte. Greta war ihm unendlich dankbar, dass sie so etwas hatte erleben dürfen. Sie konnte sich an kaum einen Mann erinnern, mit dem sie jemals diese Intensität der Gefühle erreicht hätte.



Vorsichtig löste sie sich von ihm und ging ins Badezimmer. Als sie geduscht und glücklich zurück ins Zimmer kam, war er bereits aufgewacht und reichte ihr ein Glas Sekt. Beide waren jetzt viel entspannter und es ging weiter mit dem Erzählen. Alles sagten sie sich, angefangen von der Kindheit, bis hin zu den unglücklichen Ehen. Zwischendurch bestellte Greta beim Zimmerservice ein kleines Abendessen, das beide mit Genuss verspeisten. Sie fragte Björn, ob er wohl die Stadt sehen wollte, aber er zog es vor, mit ihr einfach hier auf dem Zimmer zu bleiben. Greta war mehr als glücklich - Björn zerstreute ihre letzten Zweifel, denn wenn ihm Barcelona egal war, dann war er wirklich nur wegen ihr hergekommen.



Aber sie musste ja nach Hause, immerhin war die Katze schon lange allein und musste Futter bekommen. Ausserdem wollte sie Björn ja auch ihre kleine Welt zeigen.



Eine halbe Stunde später befanden sie sich in ihrer Wohnung, der Kater war satt und Björn begeistert von der herrlichen Aussicht auf die Dächer von Barcelona. Auch ihre Bilder hatte er zur Genüge bewundert. Jetzt war Greta an der Reihe, eine Flasche Sekt aufzumachen und sie auf der Terrasse zu servieren. Björn hatte ganz leuchtende Augen und sagte, er fühle sich wie auf Wolke Sieben.



Dankbar setzte sich Greta auf seinen Schoss und gab ihm Küsse auf Lippen und Wangen. Darauf schien Björn nur gewartet zu haben, denn nun begann er auch, sie zu küssen...



Nach so kurzer Zeit erlebte Greta zum zweitenmal ein Wunder. Niemals hätte sie geglaubt dass sie diese intensive Leidenschaft so schnell noch einmal fühlen konnte. Greta entdeckte Seiten an sich, die für sie völlig neu waren. Aber eigentlich wunderte sie sich über nichts mehr an diesem Tage. Zu stark war das Erlebnis, als dass man sich noch hätte wirklich wundern können!



Vollkommen erschöpft lag ihr Kopf dann in seiner Halskuhle, während er ihr zuflüsterte, dass er noch nie so glücklich gewesen sei... und Greta wollte, dass es immer so bliebe, dass jede Sekunde ein Jahr dauerte. Dann schliefen sie dicht aneinander gekuschelt ein.



Am nächsten Morgen wachte Greta vollkommen glücklich und befriedigt auf. Sie konnte es beinahe nicht glauben, als sie meinte, Kaffee zu riechen. Nein, sie träumte nicht. Ein nackter Björn, nur mit einer Schürze bekleidet, stand in der Küche und machte Frühstück, so als ob er bereits ewig hier wohnte. Greta konnte sich nicht erinnern, wann ein Mann das je für sie getan hätte... Niemals würde ein Spanier sich in die Küche begeben... jedenfalls nicht die Spanier, die Greta bisher kennengelernt hatte. Wie richtig war es doch gewesen, sich einen deutschen Mann zu suchen!!



Da Björn ja nur gekommen war, um sie kennenzulernen und Greta so auf die Schnelle auch keinen Urlaub mehr bekommen hatte, musste er bereits am selben Tag abends zurückfliegen. Aber bis dahin verbrachten sie die Zeit mit noch mehr Erzählen, nahmen dann ein Taxi zum Flughafen und probierten das internationale Essen des Flughafen-Restaurants. Die Preise waren Greta echt peinlich, aber Björn bezahlte, ohne mit der Wimper zu zucken.



Und dann wurde Björn's Flug aufgerufen und Greta war froh, eine Sonnenbrille aufzuhaben, denn obwohl sie wusste, dass sie ihn bald wiedersehen würde, standen ihre Augen voller Tränen. Björn war taktvoll genug, ihre Traurigkeit zwar zu bemerken, sie aber nicht zu erwähnen. Er nahm sie noch einmal ganz fest in die Arme und versprach ihr, dass er in nur vier Wochen wieder herkommen würde. Für ganze zwei Wochen wollte er dann bei ihr bleiben. Sie sollte sich nur ja schon um Urlaub bemühen. Dann zu Weihnachten sollte Greta ihn besuchen und testen, ob sie wohl seine Wohnung mochte und mit dem ganzen Umfeld in Oberursel klarkommen könnte. Björn hatte nicht ein einziges Mal von ihr verlangt, sich in Deutschland erst einen Job zu suchen, so wie Erik es getan hatte. Björn wollte einfach nur mit ihr zusammensein. Er sagte, dass er sich nicht erinnern konnte, mit einer Frau sowohl in geistiger, als auch in sexueller Hinsicht so harmoniert zu haben, wie mit ihr.



Dann gab er ihr den letzten zärtlichen Kuss und sagte ihr zum erstenmal "Ich liebe dich.." ins Ohr. Greta winkte ihm noch hinterher, als sie ihn schon gar nicht mehr sehen konnte.



Ihr Bett fühlte sich leer an in dieser Nacht. So schnell hatte sie sich an Björn gewöhnt. Sein Geruch war noch auf dem Kopfkissen, an das Greta sich ganz fest ankuschelte, so als ob er bei ihr wäre.



Greta wünschte sich, die Bettwäsche nie wieder waschen zu müssen. Zu kostbar und wertvoll war die Erinnerung, die dieser Duft weckte, als dass man dies mit so einer Banalität wie Wäschewaschen zerstören durfte. Wenn Björn schon so weit weg war, wollte sie wenigstens seinen Duft bei sich spüren und die Erinnerungen noch einmal durchleben.



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Ihre glücklichen Erinnerungen und Zukunftspläne währten nur einen einzigen Tag. Am nächsten Abend kam sein Anruf. Es täte ihm schrecklich leid, aber als seine italienische Freundin von seinem Ausflug nach Barcelona gehört hatte, wäre sie in sein Büro gekommen und hätte ihm temperamentvoll eine Eifersuchtsszene gemacht, wobei er festgestellt hätte, dass er immer noch verrückt nach ihr war, und dass es wohl nun nichts werden würde mit Greta in Oberursel... nur sollte Greta jetzt nicht glauben, dass er mit ihr gespielt hätte, im Gegenteil, er hätte sie ehrlich lieb gehabt, aber irgendwie konnte er von seiner Freundin nicht lassen... noch während Greta wie versteinert den Hörer auflegte, hörte sie aus weiter, weiter Ferne seine Worte "...bitte, bitte sei nicht böse mit mir..."



Zuerst fühlte Greta gar nichts, aber dann auf einmal schien es ihr, als ob ihr Herz mit einem kleinen scharfen Messer in winzige Stücke zerschnitten wurde. Wie zuerst die Glückseligkeit der Gefühle mit Björn, hatte sie auch diesen Schmerz noch nie erlebt. Es tat so weh, so unendlich und fürchterlich weh. Greta wollte nur noch sterben. Auf der Stelle und sofort sterben! Das war mehr, als ein Mensch verkraften konnte – lieber Gott, lass mich sterben, jetzt sofort - BITTE!!! Dann brach Greta vollends zusammen.



Jetzt war Schluss! Nie wieder einen Mann!! Lieber sterben, als noch einmal einen Mann! Nie wieder... nie, nie, nie wieder!!!



Nie wieder?



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4. Kapitel - IRINA IN KYMER


Nein, nie wieder!! Keine Annonce mehr aufsetzen, keine Post beantworten, sondern sich erst einmal nur darauf konzentrieren, weiter zu leben, ohne zu verzweifeln. Ein paar Tage lang lebte Greta nicht mehr, sondern existierte nur. Während der Stunden im Büro konnte sie ihren Schmerz halbwegs vergessen, aber auf dem Heimweg wurden ihre Schritte immer langsamer und zögernder. Sie hatte einfach keine Lust, nachhause zu gehen - denn trotz Katze war ihre Wohnung einsam und traurig. Anfangs bekam Greta noch ab und zu Anrufe ihrer spanischen Freundinnen, aber sie hatte ihnen wenig zu erzählen und vor allen Dingen nichts Lustiges. Ausgehen wollte sie auch nicht und so wurden die Anrufe von Tag zu Tag spärlicher. Traurigkeit ist eben nicht appetitlich und es macht wohl keinen Spass, mit jemandem zu reden, der sich anhört, als ob er jeden Moment in Tränen ausbrechen möchte. Greta war dem Telefon beinahe dankbar, dass es sie in Ruhe liess, so konnte sie mal ganz in Ruhe über ihr zukünftiges Leben nachdenken. Eins war ihr klar: Nie wieder einen Internet-Mann und besonders nicht aus Deutschland! Scheinbar verstand sie die deutschen Männer nicht und, vor allen Dingen, sie wurde nicht verstanden. Vielleicht würde eine Frau, die immer in Deutschland gelebt hatte, anders reagieren, vielleicht den Mann anders behandeln, vielleicht nicht alles so schwer nehmen. Obwohl das eigentlich nichts mit Deutschland oder Spanien zu tun hatte, sondern nur mit Greta…das war ihr auch klar, machte sie aber um so ratloser.





Auf jeden Fall vergingen die Tage, der Schmerz verebbte ein bisschen, ab und zu konnte Greta vor dem Fernseher oder im Büro wenigstens wieder lächeln, wenn auch nur angedeutet, und als nach ein paar Wochen die Ebbe in ihrer Kasse etwas weniger wurde, raffte sie sich sogar zu einem Einkaufsbummel auf. Und da zu einem neuen Kleid (das sie gleich anbehalten hatte) auch die entsprechende neue Frisur gehört, wurde der Besuch beim Friseur fällig.



Danach sah Greta ihr Spiegelbild in einem Schaufenster und fühlte sich so hübsch (und sogar noch mehr, als ihr die Bauarbeiter an der Ecke sympathische Schweinereien nachriefen…), dass sie sich sogar traute, ganz allein in eine Bar zu gehen und einen Gin-Tonic zu bestellen.



Sie kannte diese Bar von früher und hatte hier schon einige Männer kennengelernt, die sie eine ganze Zeit in ihrem damaligen Leben begleitet hatten.



Auch heute war die Bar gut besucht, und Greta bemerkte gleich zwei ziemlich junge Männer, die sie erst verstohlen und dann ganz offen anstarrten. Nach dem zweiten Gin-Tonic lächelte Greta zurück, woraufhin einer der beiden Jungen sich zu ihr an den Tisch setzte und ihr den dritten Gin-Tonic bestellte. Greta sah die Bewunderung in seinem Blick und - obwohl sie mindestens zwanzig Jahre älter war als er - fing an, mit ihm zu flirten. Er hiess Juan und trank Whisky mit Cola, aber mehr Whisky als Cola, so dass er bald ziemlich offen zugab, dass er gerne mit Greta nachhause wollte. Er sagte, dass reife Frauen wie Greta ihn faszinierten, weil sie soviel Lebenserfahrung hätten und überhaupt nicht so blöd wären wie junge Mädchen. Und in der Liebe….. Juan verdrehte die Augen nach spanischer Art… ja in der Liebe wären reife Frauen das Nonplusultra. Und nach einem weiteren Whisky erzählte er Greta, dass er kürzlich eine Frau gekannt hatte, die auch älter und sogar verheiratet gewesen war, und ihm viel in Bezug auf Liebe beigebracht hätte, so dass er also von sich behaupten könnte, ein erfahrener Liebhaber zu sein…. Greta genoss seine Bewunderung, obwohl sie nicht einen Moment in Erwägung zog, diesen Jungen in ihr Bett zu holen. Immerhin war ihr Sohn ungefähr in seinem Alter und das würde wohl wirklich zu weit gehen….



Aber trotzdem liess Greta es zu, dass Juan sie küsste und war ganz glücklich, als sie merkte, dass sie innerlich wohl doch noch nicht so abgestorben war, wie sie nach der Story mit Björn angenommen hatte. Im Gegenteil, der Kuss schmeckte ihr und sie fing sogar an, sich selbst zu widersprechen… und zu überlegen, ob ihre Wohnung wohl aufgeräumt genug wäre für einen Besucher. Juan trug einen Schnurrbart und das Kitzeln seiner Haare auf ihren Wangen erweckte angenehme Gefühle. Schon immer hatte Greta Schnurrbärte erotisch gefunden und viel wichtiger als gutes Aussehen war für sie dieses männliche Geschlechtsmerkmal.



Juan beliess es nicht beim Küssen, sondern war mutig geworden und es schien Greta, als ob er nicht nur zwei sondern mindestens zehn Hände hätte, die sie erst zögernd und dann ziemlich frech berührten. Greta musste zurück in die Wirklichkeit kommen und sich entscheiden, was sie nun machen wollte mit diesem Jüngling, bevor der Barman sie beide zur Ordnung rief, denn immerhin waren sie nicht allein im Lokal.



Greta stemmte sich gegen die frechste Hand, bevor diese in wirklich unanständige Gefilde vordringen konnte und löste sich sogar von seinen Lippen. - Du, das können wir hier doch nicht machen… sagte sie ihm auf spanisch. Juan schlug die Augen wieder gen Himmel auf die spanische Art und gab ihr Recht. Ja, man müsste wohl daran denken, die Umgebung zu wechseln… allerdings wohne er noch bei seinen Eltern, und Geld für ein Hotel hatte er auch nicht… es blieb nur Greta’s Wohnung. Greta war hin- und hergerissen… sollte sie oder sollte sie nicht? Tausend Gedanken gingen ihr durch den Kopf, und gerade da kam wieder mal die zärtliche Hand von Juan und streichelte ganz unauffällig ihre Brust. Greta wurde schwach und wollte ihn spontan zu sich einladen, doch plötzlich stand eine junge Frau an ihrem Tisch, gab erst einmal dem überraschten Juan eine Ohrfeige und fing dann auf spanisch an zu schreien, dass Juan ja wohl das letzte wäre, was er denn da mit dieser "Extranjera vieja" (alten Ausländerin) machte und dass sie jetzt ihre Beziehung zu ihm als beendet ansähe. Daraufhin drehte sie sich auf die temperamentvolle spanische Art um und stürmte aus der Bar. Das schien Juan aber überhaupt nicht zu passen - scheinbar hatte ihm die Ohrfeige gefallen - und nach einem letzten Händedruck, der nicht mehr zärtlich, sondern nur noch eilig war, rannte er hinter dem Mädchen her und ward nicht mehr gesehen.



Greta blieb frustriert und sich schämend zurück, denn dieses Zwischenspiel war in der Bar nicht unbemerkt geblieben. Sie fühlte, wie sie von mehreren Seiten schadenfroh angestarrt wurde, und sie hörte sogar unterdrücktes Gelächter. Aber so schnell wollte sie sich keine Blösse geben, und zeigen, dass sie am liebsten im Boden versunken wäre vor Scham. Sie hatte noch ein halbvolles Glas und da Juan bei seinem eiligen Abschied keine Zeit gehabt hatte, die Rechnung zu bezahlen, und auch sein Freund schon längst gegangen war, nahm Greta sich vor, den Gin-Tonic bis zum letzten Tropfen auszutrinken und ganz nonchalant auf ihrem Stuhl sitzenzubleiben. Allerdings brauchte sie etwas, um sich abzulenken (oder wenigstens so zu tun, als ob..), denn es war ihr wirklich peinlich, überall den schadenfrohen Blicken zu begegnen. Da erinnerte sie sich an die Computer-Zeitschrift, die sie vor dem Friseur-Besuch gekauft hatte, nahm sie aus der Tasche und tat so, als ob sie ganz konzentriert lesen würde. Sie fand ein paar interessante Artikel über software und neue webs, aber plötzlich stiess sie auf etwas ganz Unerwartetes in dieser Art Zeitschrift, nämlich auf eine Seite mit bunten Bildern, die an einen Zeichentrickfilm erinnerten. Greta las den Artikel dazu: "Dreamscape", die virtuelle Welt um sich aus dem wirklichen Leben zu flüchten…. Es wurde beschrieben, dass man in dieser Welt seinen Avatar (also sein gezeichnetes Ich..) hatte, sich praktisch als Comic-Figur bewegte, sich dort sogar eine Wohnung mieten und einrichten, sowie nicht zuletzt nette Menschen aus aller Welt treffen konnte.



Jetzt mußte Greta aber schnell nachhause… vergessen war der Zwischenfall mit diesem Juan und auch die noch immer auf sie starrenden Augen waren ihr völlig gleichgültig. Das Einzige, was sie wollte war, ihren Computer anzumachen, und ins Internet, um diese virtuelle Welt kennenzulernen…



Während die Software geladen wurde, was ziemlich lange dauerte, nutzte Greta die Zeit, um sich so ausführlich wie möglich über diese unbekannte Welt zu informieren. Es gab Hilfsprogramme, Tips über Benehmen unter den Gleichgesinnten, sogar Landkarten, um sich zurechtzufinden. Als die Software endlich im Computer war und Greta sich ganz schnell als neues Mitglied angemeldet hatte (unter Angabe ihrer Kreditkartennummer, denn diese Welt kostete etwas Geld), konnte es endlich losgehen…



Sie wurde wirklich in eine andere Welt befördert. Nach ihrem Eintritt befand sie sich zuerst auf einem Schiff, kam dann aber bald in "Kymer" an, der Hauptstadt dieser virtuellen Welt. Als Geschenk hatte sie gleich das erste virtuelle Geld in der Tasche, um sich statt des hässlichen Standardkopfes, den wohl jeder Neuling bekam, einen anderen Kopf auszusuchen. Greta holte sich einen blonden Kopf, der wie "Barbie" aussah, aber da sie ja auch in Wirklichkeit blond war, fand sie das ganz passend.



Und nun war sie mittendrin in dieser neuen Welt. Sie begegnete anderen Figuren, die meistens nur "Hi.." sagten und verschwanden. Zum erstenmal in ihrem Leben sah Greta sprechende Hunde, Katzen und sogar Enten. Trotz der Landkarte dieser seltsamen Stadt verlief Greta sich, denn sie bemerkte, dass sie einfach nur im Kreis ging und nirgends ankam… obwohl sie eigentlich auch gar nicht wusste, wo sie überhaupt hinwollte. Aber endlich sah sie eine Sprechblase mit deutschen Worten… zwei Mädchen redeten über das Büro und die schlimmen Chefs. Greta nahm ihren ganzen Mut zusammen und bat um Hilfe. Eins der beiden Mädchen - sie hatte dunkle Haare und trug eine freche, verkehrt herum aufgesetzte, Schirmmütze, - bot sich an, Greta behilflich zu sein. Sie hiess Irina und war schon ein alter Hase in dieser virtuellen Welt. Sie zeigte Greta alles, was zu zeigen war, und nahm sie dann mit in ihre virtuelle Wohnung, die vollgepackt war mit allen möglichen Köpfen und Gegenständen (Greta kam aus dem Staunen nicht heraus..). Irina war so nett, Greta sogar einen anderen Kopf zu schenken, der viel hübscher war, als der Barbie-Kopf und dann lernte man sich endlich richtig kennen. Irina war im "wirklichen Leben" eine Sekretärin aus Wien, mit einem widerlichen Chef und viel Arbeit. Sie erzählte ihr von den Problemen mit ihrer Mutter, die sehr egoistisch und besitzergreifend war und von den Männern, mit denen sie bisher kein Glück gehabt hatte. Irina war auch schon über vierzig, und Greta merkte mit jedem Moment mehr, wieviele Übereinstimmungen zwischen ihnen bestanden. Endlich mal eine Frau, die nicht so oberflächlich und kindisch war, wie die meisten spanischen Frauen, die Greta kannte. Greta ging das Herz auf, sie erzählte Irina viele Sachen über sich, natürlich auch die Geschichten mit Erik und Björn und Irina tröstete sie und meinte nur, dass eben Frauen und Männer eigentlich nicht zueinander passten. Als man sich um Mitternacht verabschiedete und Greta zurück in ihrer kleinen "wirklichen" Welt war, konnte sie an nichts anderes mehr denken, als an diese bunte wunderschöne Stadt und wie sie selbst Hauptperson in einer Art Zeichentrickfilm gewesen war.



Gleich am nächsten Abend ging es wieder ins Dreamscape und Greta war glücklich zu sehen, dass Irina schon auf sie wartete. Irina stellte ihr eine ganze Gruppe von Deutschen vor, die sich scheinbar sehr freuten, Zuwachs zu bekommen. Alle waren nett, es wurde geblödelt, gelacht und Spass gemacht - die Stunden vergingen wie im Flug. Als Greta aber an ihre Telefonrechnung dachte und sich von Irina verabschieden wollte, war die ganz traurig und bat sie, doch noch ein bisschen zu bleiben. Scheinbar knabberte Irina noch am letzten Liebeskummer, denn sie schimpfte über die verdammten Männer und besonders den letzten… der hätte sie verlassen, nur, weil sie so gerne geheiratet und Kinder gehabt hätte. Das war natürlich ein Thema, zu dem Greta viel zu sagen hatte und als sie schliesslich um zwei Uhr morgens wirklich den Computer ausmachte, war sie Irina so dankbar für die Ratschläge und das Zuhören, dass sie sogar daran dachte, sie nach Barcelona einzuladen… sie fühlte sich ihr auf seltsame Art so verbunden, ja sie begann sogar, Gefühle für Irina zu entwickeln… keine erotischen (Greta hielt sich für absolut heterosexuell), aber sie mochte sie sehr. Greta konnte sich nicht daran erinnern, jemals in ihrem Leben eine Frau getroffen zu haben, die so patent war, so selbständig, nicht unterzukriegen, ehrgeizig und intelligent - aber trotzdem sehr weiblich. Greta hatte selten eine richtige "beste" Freundin gehabt, denn bisher war ihr keine Frau begegnet, die so wie sie voll im Berufsleben stand (das war in Spanien ja noch die Ausnahme), also über etwas anderes als nur den Ehemann und die Kinder reden konnte… Aber Irina war so, wie Greta sich immer eine beste Freundin gewünscht hatte, verständnisvoll, aber gleichzeitig auch bereit, Ratschläge zu geben und sich sogar nicht zu scheuen, Greta richtig psychologisch zu analysieren und ihr klarzumachen, warum sie denn immer auf den gleichen Typ Mann hereinfiel…



Greta führte mit Irina über die Wochen Dutzende von interessanten Gesprächen, sie lernte viel von Irina, sogar, sich selbst zu erkennen und zu wissen, warum sie so war, wie sie war.



Die Zeit verging, es war schon November und als Irina sagte, dass es ihr vor Weihnachten graute, weil dann die ganze Familie ihrer Mutter käme und sie beim Kochen helfen müsste (was sie hasste), brachte Greta wirklich den Mut auf, Irina nach Barcelona einzuladen. Aber Irina wurde auf einmal ganz komisch und sagte erst nein, dann vielleicht… auf jeden Fall merkte Greta, dass es wohl irgendetwas gab, was einer Reise im Wege stand. Sie gab Irina zu verstehen, dass sie gekränkt wäre, wenn Irina ihre Einladung ablehnte und da sagte Irina einen Satz, der Greta ratlos zurückliess: "Hier im Dreamscape glaube nie, was du siehst… in der wirklichen Welt ist alles ganz anders…" Sie wollte auch nicht erklären, was sie damit meinte, sondern sagte nur, dass Greta darüber nachdenken sollte, und dass Greta die Antwort eigentlich schon wissen müsste, wenn sie tief in sich hineinhorchte…



Greta hatte auf einmal ein ganz komisches Gefühl - sie hatte schon vorher von anderen gehört, die sich in der virtuellen Welt als Frau ausgaben, in Wirklichkeit aber Männer wären. Sogar Irina hatte ihr von ihnen erzählt, damals aber gemeint, dass das wirklich fies wäre… jemanden so an der Nase herumzuführen. Nur - Greta’s Herz fing auf einmal ganz furchtbar und laut an zu klopfen, konnte es sein, dass Irina ein Mann war? Konnte es sein, dass Greta einem Mann ihre intimsten weiblichen Geheimnisse erzählt hatte und bei einem Mann auf alle anderen Männer geschimpft hatte? Greta wurde schlecht bei der Vorstellung, nein, das durfte nicht sein, das wäre wirklich zu peinlich. Sie hatte Irina von Menstruationsbeschwerden berichtet, von anderen Frauenkrankheiten, aber auch - was noch schlimmer war - von ihrem sexuellen Leben in allen Einzelheiten. Jetzt beim Nachdenken fiel ihr auch auf, dass Irina eigentlich nie viel über ihre eigenen Erlebnisse oder Intimitäten berichtete, sondern vielmehr nur bei Gretas Schilderungen zugehört und ihr Ratschläge gegeben hatte. Eigentlich wusste Greta praktisch gar nichts über Irinas wirkliches Leben, ausser, dass sie mit ihrer Mutter zusammen wohnte.



Am nächsten Abend im Dreamscape nahm Greta allen Mut zusammen und führte mit Irina das entscheidende Gespräch - immer noch hoffend, dass sie falsch lag und dass Irina sie nicht belogen hatte… denn eins war Greta klar, sollte Irina wirklich ein Mann sein, dann wäre auch diese Freundschaft vorbei, denn dann würde sie mit "Irina" nie wieder so vertraut und ohne Tabus von "Frau zu Frau" reden können.



Das Gespräch verlief nicht so geradehinaus, wie Greta es sich gewünscht hätte, im Gegenteil, Irina machte sich einen Spass daraus, Greta erst vollkommen davon zu überzeugen, dass sie natürlich doch eine Frau sei, dass sie gar nichts anderes sein konnte, erzählte ihr als "Beweis" sogar von diversen Eierstockentzündungen und auch noch von einer Abtreibung.... und als bei Greta schliesslich der letzte Zweifel erloschen war, schrieb Irina plötzlich "....allerdings habe ich da so ein kleines Stückchen Fleisch zwischen meinen Beinen, das mich daran hindert, eine vollkommene Frau zu sein...." Greta fühlte sich mal wieder naiv und auf den Arm genommen und vor allem furchtbar wütend. Sie schaltete einfach die Internet Verbindung aus und musste sich eingestehen, dass es um ihre Menschenkenntnis wohl doch nicht so gut bestellt war, wenn sie noch nicht einmal einen Mann von einer Frau unterscheiden konnte. In dem Moment klingelte das Telefon. Das konnte nur der/die Irina sein, die/der sich wohl entschuldigen wollte.



Noch bevor Greta den Hörer abnahm, wusste sie, welche Stimme sie am anderen Ende der Leitung erwartete: Nämlich eine unverkennbar männliche… was auch stimmte. Zwar nicht sehr tief, nicht allzu männlich, aber eben nicht die Stimme einer Frau….. Greta nahm seine Entschuldigung theoretisch an (innerlich verzieh sie ihm aber überhaupt nicht), redete ein paar belanglose Sätze mit ihm und legte dann den Hörer auf. Wieder einmal versank sie in dem bekannten tiefen Loch, sie war so enttäuscht wie selten vorher in ihrem Leben. Schluss mit ihrer "besten" Freundin, Schluss mit Dreamscape… nie wieder wollte sie dorthin…



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5. Kapitel - (ein etwas anderer) LATIN LOVER

Greta konnte erst wieder tief Luft holen, als die Villa hinter ihr nicht mehr zu sehen war. Bis zum letzten Moment hatte sie befürchtet, dass Nicolas plötzlich neben ihr stand, obwohl dieser Gedanke wirklich vollkommen unrealistisch war, denn es würde wohl noch eine ganze Zeit vergehen, bis er sie vermisste. Und jetzt sass sie also mitten in der Nacht in diesem Taxi und musste ihr Leben wieder einmal neu planen. Das Allererste aber würde sein, die Bettwäsche zu wechseln und dann, Nicolas zu vergessen. Der Weg von der Villa, wo sie die letzten furchtbaren Stunden verbracht hatte, bis hin zu ihrer Wohnung mitten in Barcelona war weit, und um nicht dauernd auf den Fahrpreisanzeiger zu schauen und noch nervöser zu werden (diese Ausgabe hatte sie ja schliesslich nicht eingeplant), schloss sie die Augen und liess die ganze verworrene Geschichte mit Nicolas wie einen Film vor sich ablaufen. Wie hatte sie nur so handeln können? Wieso hatte sie ihm überhaupt nachgegeben?



Damals nach der Enttäuschung mit "Irina" hatte sie sich nicht mehr in die virtuelle Welt eingeloggt Sie wollte ihr/ihm auf keinen Fall begegnen, denn die e-mails, mit denen Irina sie anfangs überschüttete, waren alles andere als freundlich. Irina hatte ihr verboten, jemandem in der virtuellen Welt zu erzählen, dass „sie“ eigentlich ein Mann war, und angedroht, schlimme Geschichten über Greta zu verbreiten, so dass niemand dort noch etwas mit ihr zu tun haben wollte. Laut einem sehr interessanten Artikel, den Greta vor kurzem über das „mobbing“ im Internet gelesen hatte, gab es nur eine Lösung, um Irina abzuschütteln: Vom Internet fernzubleiben. Da Greta aber virtuelle Bekannte den "wirklichen" vorzog (immerhin konnte sie die virtuellen Bekannten einfach wegklicken, was bei wirklichen Menschen nicht so einfach war..), betrat sie zwar nicht mehr die virtuelle Welt, klinkte sich stattdessen aber in andere Chat-Programme ein. Obwohl sie mit der Zeit viele oberflächliche Online-Bekanntschaften machte, vermisste sie doch sehr ihre Freunde aus der virtuellen Welt, denn mit ihnen hatten sie wirklich interessante Gespräche führen können, und ihre Zeit (und ihr Geld) nicht bloss mit "small-talk" und den Blödeleien der normalen Chats verschwendet.



Inzwischen wurde es wieder Frühling und Greta erinnerte sich (mit immer noch ziemlich viel Traurigkeit), wie sie sich vor einem Jahr um diese Zeit auf Erik freute und sogar die drastische Diät gemacht hatte (von dem Resultat war allerdings nicht mehr viel übrig geblieben), und wie sich dann diese "himmelhochjauchzenden" Gefühle ziemlich schnell ins Gegenteil verwandelt hatten. Sie hatte übrigens nie wieder etwas von Erik gehört, wohl aber von Björn, dem "Schlaflosen aus Oberursel", der ihr vor kurzem eine ganz neutrale Hochzeitsmitteilung geschickt hatte. Wenn Greta ehrlich zu sich selbst war, hatte ihr die Internet-Suche nach "Ihm“ nichts weiter als Kummer bereitet. Aber trotzdem sie nun schon so viele Jahre in Spanien lebte, hatte Greta ihren norddeutschen Dickkopf nicht abgelegt und machte stur weiter. Schliesslich musste "ER" doch irgendwo sein! Nur in ganz seltenen Momenten, meistens so kurz vor dem Einschlafen, kam ihr der Gedanke, dass "Er" vielleicht irgendwo auf sie wartete, aber keinen Internetanschluss hatte. Doch solche Gedanken schob sie schnell beiseite, denn Internet machte ihr viel zu viel Spass, um darauf zu verzichten und stattdessen in der wirklichen Welt nach ihm Ausschau zu halten. Ausserdem war sie viel zu faul (und fühlte sich ein wenig zu alt) für Streifzüge durch Bars oder sogar Discos.



Die Zeit verging, nichts Aufregendes passierte, und langsam wurde es Greta leid, dass ihr Leben nur aus Büro, Fernsehen, Chats und Schlafen bestand. Draussen wurde es immer wärmer. Dieses Jahr gab es einen richtigen Bilderbuchfrühling in Barcelona. Alles blühte und grünte, und wenn Greta ab und zu mal spazieren ging (meistens nur, um Zigaretten oder eine Computer-Zeitschrift zu kaufen), schienen die Strassen hauptsächlich aus verliebten Pärchen zu bestehen, die sich vor ihrer Nase küssten und so glücklich aussahen, dass Greta richtig neidisch wurde.



Eines Abends fühlte sie sich so frustriert und einsam, dass sie einen ihrer eisernen Grundsätze brach, nämlich, niemals einen Sexchat zu betreten. Aber Greta war eben eine ganz normale Frau, die zwar die Liebe suchte, aber inzwischen ab und zu auch mal Sex brauchte. Und wenn sie schon niemanden in der Nähe hatte, der dafür infrage kam, wollte sie wenigstens das Zweitbeste versuchen, nämlich den „Cybersex“, von dem sie zwar viel gelesen hatte, sich aber eigentlich nicht vorstellen konnte, wie so etwas funktionierte. Ausserdem war sie sich auch nicht richtig sicher, was sie dort eigentlich erwartete, denn virtueller Sex musste doch eigentlich ziemlich einseitig und frustrierend sein. Eher würde ihr eventuell eine erotische Unterhaltung mit viel Phantasie zusagen. Aber sie hatte keine Ahnung, ob die Leute in einem Sex-Chat überhaupt dazu imstande waren, denn so wie Greta gelesen hatte, bestand das Publikum in solchen Chats hauptsächlich aus pubertierenden Jünglingen.



Ein wenig nervös und entschlossen, sofort aus dem Chat zu gehen, wenn es ihr nicht gefiel oder peinlich werden sollte, klinkte sie sich ein. In so einem konkreten Chat hing der Erfolg sicherlich hauptsächlich von dem Pseudonym, dem „Nickname“, ab, also nannte sich Greta eben „Aphrodite“ (da es ein spanischer Chat war, natürlich "Afrodita"), und mit ein bisschen Phantasie fühlte sie sich an jenem Abend auch wie eine "aus dem Schaum geborene Göttin" (die auf ihren scharfen Gott wartete). Der Chat war voll, über hundert Personen nahmen teil, von denen mindestens neunzig Männer waren, wenn man nach den Namen ging. Kaum stand im Chat, dass „Afrodita“ eingetreten war, bekam Greta auch schon eine Aufforderung nach der anderen, mit denjenigen "Herren" privat zu chatten. Aber Greta wollte sich richtig entscheiden und zuvor ein paar Einzelheiten über diese Männer wissen. Schon nach ein paar Minuten, war sie drauf und dran, ihren Computer enttäuscht und angeekelt auszuschalten. Immer dasselbe: "Bist du wirklich eine Frau?" Und wenn sie dann bejaht hatte war die nächste Frage garantiert: "Bist du geil?" und dann schickte der betreffende Adonis unaufgefordert auch gleich die Maße seines wohl wichtigsten Körperteils. Was Greta ziemlich unverständlich war, denn eigentlich war es doch völlig unwichtig, wie gross so ein virtueller Penis war, da sie ihn ja wohl doch nie in der "wirklichen Welt" zu Gesicht bekommen würde. Männer, die sie auf diese Art ansprachen, blockte Greta gleich auf Nimmerwiedersehen ab, denn das war ihr einfach zu primitiv und regte sie überhaupt nicht an.



Nach ungefähr 20 Minuten musste sie sich eingestehen, dass ihr für so blöde Anmachen das Geld einfach zu schade war. Sie wollte gerade enttäuscht abschalten, als sich jemand mit dem Pseudonym "LatinLover" bei ihr einklinkte. Sie wollte nicht unhöflich sein und ihm wenigstens "Hola" und "Adios" sagen (wohlgemerkt, sie befand sich in einem spanischen Chat), also las sie, was dieser Mann ihr wohl zu sagen hatte:



"Hallo meine Liebesgöttin....Einen guten Abend wünsche ich dir...obwohl ich mich ja in einem Sexchat befinde, suche ich eigentlich eher eine interessante Unterhaltung mit einer Vollblutfrau. Könntest Du das sein?..."



Greta hüpfte das Herz bis in die Ohrläppchen. Ja, das war es, was sie wollte!

Sie antwortete ihm beschwingt und humorvoll und beide zogen sich in einen Privatchat zurück, der schliesslich mehrere Stunden dauerte (zum Glück war es Freitag und Greta musste am nächsten Tag nicht ins Büro). Greta erfuhr, dass er Nicolas hiess, fünfundvierzig Jahre alt war, in Madrid wohnte, eine kleine Informatik-Firma besass und schon zweimal geschieden war. Greta verstand sich blendend mit Nicolas. Sie hatten so vieles gemeinsam. Nicolas liebte auch die Musik (sogar Leonard Cohen war ihm kein Unbekannter) und Malerei, wenn er auch kein allzugrosser Freund von Katzen war, wie er gleich zugab. Für Greta verrannen die Stunden mit Nicolas wie im Fluge und es fiel ihr schwer, sich von ihm um drei Uhr morgens zu verabschieden. Aber am kommenden Abend wollten sich beide wieder im Netz treffen.



Greta verbrachte den Samstag wie üblich mit Wäschewaschen, Saubermachen, Einkaufen und ansonsten Warten..... auf den Abend und auf Nicolas.



Pünktlich um zehn, wie abgemacht, befand sich Nicolas am anderen Ende des Drahtes und schon ging es weiter. Diesmal stellte er die Fragen, die Greta ihm wahrheitsgemäss beantwortete (wie es so ihre Art war). Er fragte sie, warum sie in einen Sexchat gekommen war und Greta antwortete ihm ganz ehrlich, dass sie schon lange keinen Mann mehr gehabt hätte und ziemlich ausgehungert wäre. Er meinte, dass dasselbe auch auf ihn zuträfe, da er auch schon lange ohne feste Partnerin sei (was Greta nicht verstehen konnte, bei so einem intelligenten und unterhaltsamen Mann....aber immerhin ging es ihr ja genauso, und sie hielt sich auch nicht gerade für ein graues Mäuschen..). Er erzählte ihr von seinen einsamen Nächten, von seinem Körper, der sich von ganz allein im Schlaf sein Recht holte.... und Greta fühlte, wie ihr bei seinen Worten immer heisser wurde. Er hatte die seltene Gabe, sie mit wenigen Sätzen dahinfliessen zu lassen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Die Unterhaltung wurde immer intimer (und Greta immer aufgeregter, wenn man es denn so nennen konnte):



Nicolas: Möchtest Du, dass die Unterhaltung erotisch wird?

Greta: Ja bitte, erzähl mir was

Nicolas: Was hast du an? Ich möchte Dich mir vorstellen ...

Greta: Es ist heute abend warm in Barcelona und ich trage nur einen schwarzen Body (sie trug zwar nur ein T-Shirt, aber sie hatte schon öfters gelesen, dass Männer wohl eher ein schwarzer Body anmachte).

Nicolas: ........mmmmmmmmmm...ich versuche es mir vorzustellen.... aber sag mal, Greta, hast Du vielleicht ein Foto?

Greta: Ja, aber da bin ich ganz angezogen.

Nicolas: das ist ok, schick es mir bitte trotzdem.

Greta: Foto ist auf dem Weg.

Nicolas: Mom....ich mache es auf...........ohhhhhhhh,Greta, weisst Du, dass Du eine unheimlich attraktive Frau bist?

Greta:... danke, aber so hübsch bin ich doch gar nicht.

Nicolas: Ich finde Dich sehr attraktiv und sexuell erregend.

Greta: danke Nicolas, hast Du auch ein Foto?

Nicolas: Nein, im Moment habe ich keins hier, aber ich verspreche Dir, dass ich das bald nachhole.

Greta: Dann beschreib Dich doch mal, bitte. Wie siehst Du aus?

Nicolas: Naja, eben wie ein typischer Latino. Dunkle Haare, braungebrannt, 1,80, braune Augen...

Greta: mmmmmm, Du hörst Dich ja auch sehr gut an.

Nicolas: Danke. Sag mal, könntest Du Dir vorstellen wie es wäre, wenn ich jetzt bei Dir wäre?

Greta: Ich versuche es mir vorzustellen, aber da ich nicht weiss, wie Du wirklich aussiehst, ist es ziemlich schwierig.

Nicolas: Ok, das verstehe ich. Dann werde ich Dir meine Phantasie beschreiben. Einverstanden?

Greta: Ja, bitte

Nicolas: Also, stell Dir vor, ich komme jetzt in Deine Wohnung, Du machst mir die Tür auf in Deinem schwarzen Body und bei Deinem Anblick bin ich sofort sexuell erregt.

Greta: mmmmmmmmm

Nicolas: Ich küsse dich tief und innig, umfahre die Konturen Deiner Lippen mit meiner Zunge, rieche Dein Parfüm, vergrabe mein Gesicht in Deinem Haar, wandere dann mit kleinen Küssen langsam nach unten, über Deinen Hals, auf dem meine Zunge eine feuchte Spur hinterlässt... während meine Hand schon Deine Brüste gefunden hat, die zärtlich gestreichelt werden, nun folgen meine Lippen und jetzt küsse ich Deine Brust ganz zart, während meine Fingerspitze Deine Brustwarze zärtlich umkreist........."



Greta's Phantasie lief auf Hochtouren. Schon lange tippte sie nicht mehr, sondern wartete nach jeder Zeile, die er geschrieben hatte, hungrig auf die nächste. Nicolas schien genau zu wissen, was Greta hören (oder besser lesen) wollte, die Vorstellung der von ihm beschriebenen Zärtlichkeiten erregten Greta derart, dass es Nicolas schliesslich gelang, Greta dort vor dem Computer (der Kater schlief zum Glück) zu höchsten Wonnen zu geleiten. Was sie nie für möglich gehalten hätte, geschah.... sie war von einem Mann per Tastatur verführt worden.

Als Greta wieder den Bildschirm im Blick hatte (die letzten paar Minuten hatte sich ein Nebel vor ihre Augen gelegt), sah sie den letzten Satz von Nicolas:



"WANN SEHEN WIR UNS? ICH MUSS DICH KENNENLERNEN!!!!!!"



Sie nahm sich wieder die Tastatur vor und schrieb (mit noch reichlich zittrigen Fingern):



"Bitte hab Geduld. Ich finde es noch zu früh..."



Diesen Satz fand Nicolas gar nicht so gut, denn er wohnte ja nur eine halbe Flugstunde entfernt von Greta und musste sowieso bald geschäftlich nach Barcelona kommen. Ausserdem erwartete er auch nichts anderes von ihr, als seine Einladung zum Abendessen anzunehmen, denn schlafen würde er natürlich im Hotel (wenn Greta es so wünschte).

Greta wusste dagegen nichts einzuwenden, ausserdem brannte sie natürlich auch vor Neugier, diesen Mann kennenzulernen. Selten hatte sie einen Mann kennengelernt, der sie so mit Worten verwöhnte, der scheinbar genau wusste, welche Zärtlichkeiten sie am meisten anmachten. So einen Mann durfte sie sich nicht entgehen lassen, also gab sie ihm ihre Telefonnummer und sagte ja zu seinem Besuch.



Die nächsten Tage flogen an Greta vorbei, erst abends fing sie richtig an zu leben, dann nämlich, wenn Nicolas sie anrief, denn inzwischen traf man sich nicht mehr im Netz, sondern am Telefon. Jeden Abend um zehn rief er an und Greta stellte überrascht fest, dass schon allein der Klang seiner dunklen, erotischen Stimme sie anmachte. Sie begann mal wieder, sich zu verlieben und ihn zu begehren, denn leider hatte sie es noch nie geschafft, Sex von Liebe trennen zu können. Sie war immer der Meinung gewesen, dass sie nur den Sex mit einem Mann geniessen konnte, den sie auch liebte und dass Sex ohne Liebe nur ein ziemlich mechanisches Vergnügen sei. Gleichzeitig aber entzündete sich ein Alarmlicht in ihrem Herzen, das ihr davon abriet, sich in Nicolas zu verlieben, denn nach nur wenigen Tagen war er so ehrlich gewesen, ihr seine sexuelle Vorliebe per e-mail zu beichten.



"...Bevor wir uns in Barcelona kennenlernen, möchte ich mich "outen": Ich habe eine Vorliebe für Gruppensex-Orgien innerhalb einer festen Partnerschaft. Du hast Dich gewundert, warum ich noch oder schon wieder allein bin, jetzt verstehst Du es vielleicht. Es hat eigentlich immer Frauen in meinem Leben gegeben. Ich bin scheinbar ein Typ, der Frauen Vertrauen einflösst, und weil ich es liebe, meine Partnerin zu verwöhnen. Aber ich verlange auch ein Mindestmass an Entgegenkommen und mache eine Kooperation mit meinem Gruppensexfimmel zur Bedingung. Ich finde das eigentlich sehr human: Ich kümmere mich um das finanzielle Wohlergehen meiner Partnerin und zusammen würden wir den Freuden der Erotik auf die Spur gehen und so weit wie möglich auskosten. Ich fand und finde es noch immer eine sinnvolle Kombination: Eine harmonische, möglichst kuschelige und liebevolle Beziehung zuhause, und wann immer uns der Sinn danach steht, gehen wir raus und haben dampfenden und harten Sex mit Gleichgesinnten...

So habe ich das immer den Frauen gleich zu Anfang erzählt (so wie jetzt bei Dir, noch bevor wir uns wirklich kennengelernt haben) und einige waren sogar ganz angetan. Na ja, in die Clubs sind dann einige mitgegangen und zumindest das Zugucken fanden sie auch interessant. Obwohl die Kommentare einiger von ihnen zum Teil dermassen abtörnend waren, dass sogar ich selbst Schwierigkeiten mit der Auferstehung meines Fleisches bekam.... Und als dann auch das eine oder andere Club-Paar Interesse an uns zeigte, war es ziemlich schnell vorbei mit lustig. Sie bekamen einen panischen Blick in den Augen und als einer mal ganz vorsichtig ihre Beine streichelte, um die Lage bei ihr zu erkunden, fehlte eigentlich nur noch, dass sie das Vaterunser betete....

Greta, ich weiss nicht, wie Du über diese Sache denkst. Aber ich habe bis jetzt den Eindruck, dass Du eine weltoffene und lockere Frau bist, die ausserdem soviel Sinnlichkeit zu besitzen scheint, dass ich mir vorstellen könnte, endlich eine Frau gefunden zu haben, die meine Veranlagung zumindest verstehen und vielleicht sogar auch teilen könnte..."



Gretas erste Reaktion nachdem sie dieses mail gelesen hatte, war, die "Beziehung" zu Nicolas zu beenden, noch bevor sie eigentlich richtig begonnen hatte. Aber dann (nach zwei Gin-Tonics auf den Schreck), liess sie sich das alles durch den Kopf gehen. Greta war nämlich auch eine neugierige Frau und schon das Wort "Gruppensex" zauberte Bilder von dampfenden Leiberknäueln vor ihre Augen, die eigentlich ziemlich interessant waren. Sie war schon immer der Ansicht gewesen, man müsste alles mindestens einmal ausprobieren und hier gab es die Gelegenheit, fremdes Land zu erkunden. Zwar stellte ihr die Eifersucht ein Bein, aber so wie Nicolas alles beschrieb, hätte Greta doch gar keinen Grund zur Eifersucht. Also schrieb ihm Greta zurück (leider immer noch unter dem Einfluss des Alkohols):



"Lieber Nicolas,

nein, ich bin bei der Lektüre Deines "Outings" nicht schreiend zusammengebrochen..denn, wie Du eigentlich wissen müsstest bei Deiner Erfahrung mit Frauen, kann sich die Sexualität einer Frau in meinem Alter durchaus mit der einer pubertierenden Sechzehnjährigen messen. Auf jeden Fall (wie ich es Dir ja schon bei Deinen anregenden "Worten" im Internet bewiesen habe), ist mein Hormonspiegel derzeit so, dass sogar ein ganzes Regiment Soldaten mir keine Angst einjagen könnte, geschweige denn eine kleine Party mit geilen Männlein und Weiblein, die nach einer Woche im Büro am Samstag mal was erleben möchten. Ich könnte mir also vorstellen, dass ich dort auch meinen Spass hätte..."



Mutig schickte sie das mail ab.



Als Greta am nächsten Tag nüchtern ihr mail noch einmal durchlas, bekam sie Herzbeklemmungen. Was musste Nicolas von ihr denken? Aber sie konnte ihm jetzt nicht ein weiteres mail schicken und "April, April" sagen... das wäre noch peinlicher gewesen. Irgendwie musste sie da jetzt durch.



Sie kam auch gar nicht dazu, ihm eventuell doch noch abzusagen, denn ihr Telefon klingelte und Nicolas war bereits in Barcelona. Es war Freitag und um acht wollte er an ihrer Haustür klingeln. Greta geriet so in Panik, dass sie nur noch stotternd "ok", sagen konnte. Sie hatte ein paar Stunden Zeit, um sich so schön wie möglich zu machen (was jeden Tag länger dauerte, je älter sie wurde..), die Wohnung schnell aufzuräumen (denn man wusste ja nie, was wirklich passieren konnte... und laut ihrer Mutter war eine aufgeräumte Wohnung absolut Pflicht!), um dann ab fünf Minuten vor Acht mit lautem Herzklopfen schon unten neben der Haustür zu stehen. Fünf Minuten später hielt doch tatsächlich ein roter BMW mit schwarzen Ledersitzen (ein Leihwagen, wie sie später erfuhr) vor ihrem Haus und ein Bilderbuchmann stieg aus und eilte auf sie zu. Nicolas war einer der attraktivsten Männer, die Greta je gesehen hatte, er hätte sich sogar mit Antonio Banderas messen können (und das will was heissen!). Gretas Knie wurden weich und als er sie auf beide Wangen küsste, nahm sie einen diskreten Duft wahr, der allein schon ausgereicht hätte, sie auf Hochtouren zu bringen (Anmerkung der Autorin: "Image" von Cerrutti - mmmmmmm unbeschreiblich!!! Und nein - ich bekomme keine Kommission!). Sie sank auf den bequemen Ledersitz neben ihm (nachdem er ihr natürlich die Tür geöffnet hatte), und wusste, dass sie alles tun würde, um diesen Mann zu behalten. Er schien auch von ihr begeistert zu sein, denn bei jeder roten Ampel überbrückte er die Wartezeit mit zärtlichen Blicken (und ab der dritten Ampel, um gekonnt ihren Oberschenkel zu streicheln, was Greta gar nicht unangenehm war). Sie fuhren zum olympischen Hafen, gingen ein wenig die Promenade entlang, bewunderten den romantischen Sonnenuntergang und setzten sich dann auf die Terrasse eines Strandcafé's, wo Greta versuchte, mit Hilfe einiger exotischer Getränke, ihre Nervosität zu verlieren (Nicolas trank nur Mineralwasser, er musste ja schliesslich fahren. Greta fand das ganz toll, denn viele Spanier nehmen es nicht so genau). Nach ein paar Minuten small-talk über die Geschäfte von Nicolas und Greta's Übersetzungen, kam Nicolas auf intimere Themen zu sprechen. Er vermied das Thema Gruppensex (obwohl er Greta kurz für ihr "Verständnis" dankte, also hatte er ihr mail erhalten....was Greta erröten liess), konzentrierte sich aber stattdessen nur auf Greta. Er meinte, dass sie blendend hübsch und attraktiv wäre und dass ihre Augen so intensiv und blau wären, dass es ihm den Atem raubte. Sie wäre gesegnet mit Spontaneität, Geist und Witz, also seiner Meinung nach wäre sie qualifiziert als eine Partnerin erster Wahl. Er lobte auch ihren Körper (scheinbar stand er nicht auf dünne Frauen) und meinte, dass bei dessen Anblick sich wohl der Denkprozess aller Männer auf Null reduzieren müsste.....



Greta trank sowohl ihre "copa" als auch seine Worte in sich hinein. Sie kam sich vor wie in einem Traum. Ein Mann wie ein Filmstar - und scheinbar sogar mit Geld - schien sich in sie verliebt zu haben. Während eines kurzen Besuches auf der Toilette, hatte sie den ersten klaren Gedanken und dachte an seinen sexuellen Fimmel. Aber er hatte den ganzen Abend davon nicht mehr gesprochen, also konnte es doch nicht so wichtig für ihn sein. Greta begehrte diesen Mann, sie wollte ihn aber für sich allein und auf keinen Fall mit anderen teilen, nicht einmal mit Sexabenteuern, bei denen sie zugucken könnte. Ausserdem - Greta sah sich im Spiegel an - wer sagte denn, dass er bisher vielleicht nur nicht die richtige Frau gefunden hatte, die ihn so beglückte, dass er allein mit ihr genug hatte? Denn, was Greta immer gehört und gelesen hatte, war, dass ein Mann, der mit seiner Partnerin jederzeit Sex und den in allen Varianten haben konnte, keinen Grund hatte, sich auch noch ausserhaus umzusehen. Und ja, Greta puderte noch ein bisschen ihr Näschen - das Nicolas so sexy fand - wenn dieser Mann im Bett auch nur die Hälfte von dem hielt, was er per Tastatur so detailliert versprochen hatte, dann würde sie nie wieder einen anderen Mann brauchen (und er hoffentlich keine andere Frau).



Neu erfrischt und euphorisch kam sie zurück zu ihm auf die laue Terrasse. Und nein, er hatte nicht wie damals Erik mit irgendeinem Mädchen am Nebentisch eine Unterhaltung angefangen, sondern studierte die Speisekarte und stand sofort auf, als sie sich näherte, rückte ihr den Korbsessel liebevoll zurecht und reichte ihr dann einen neuen Drink, den er wohl inzwischen bestellt hatte. Als sie das Glas von ihm nahm und seine Finger die ihren zärtlich berührten, liefen ihr tausend wollüstige Schauer den Rücken hinunter und ganz impulsiv neigte sie sich zu ihm hinüber und küsste ihn. Auch der Kuss war ein Traum.... dieser Mann kannte die Frauen... Nach ein paar Küssen mehr fragte er sie, ob sie Hunger hätte, was Greta verneinte... jedenfalls nicht Hunger auf Essen (was sie aber nicht sagte, sondern nur dachte). Trotzdem bestellte er gleich dort ein paar Happen, ass mit gutem Appetit (während Greta nur ein bisschen knabberte und probierte) und nach dem "café sólo" fragte er sie, ob sie noch irgendwo anders hinwollte, oder schon nachhause. Greta wollte nachhause und in ihr Bett, aber nicht allein (auch das sagte sie ihm nicht, aber das würde sie ihm schon irgendwie beibringen).



Auf dem Nachhauseweg wurde jede rote Ampel für leidenschaftliche Küsse ausgenutzt (und es gibt viele, nicht aufeinander abgestimmte, Ampeln in Barcelona..). Greta konnte kaum noch klar denken, sie wusste nur eins, dass sie diesen Mann wollte, und zwar mit Haut und Haar. Als er ihr vor ihrem Haus aus dem Auto half (sie war sowieso ziemlich wackelig auf den Beinen, mehr aufgrund der Gefühle als wegen der Drinks..), gab sie ihm einen Kuss, der keine Frage mehr offenliess. Er parkte nur noch schnell den Wagen und dann war man auch schon oben bei Greta und ohne Umweg vonwegen Champagner oder solcher überflüssiger Sachen, fünf Minuten später im Bett.



Zwei Stunden später musste Greta zugeben, dass sogar Björn, den sie bis jetzt für einen aussergewöhnlichen Liebhaber gehalten hatte, im Vergleich zu Nicolas ein Waisenknabe gewesen war. Noch nie in ihrem Leben hatte sie in so kurzer Zeit so viele Orgasmen gehabt und noch nie hatte sie einen Mann sexuell so attraktiv gefunden. Auch er hatte wohl den Sex mit ihr genossen (sie hatte sich auch wirklich Mühe gegeben), so etwas merkt eine Frau ja wohl, denn in dieser Beziehung kann ein Mann ja kaum falsche Tatsachen vortäuschen, und nun lag dieser Traummann ziemlich erschöpft und halb schlafend an ihrer Seite. Das Thema Gruppensex war immer noch nicht gefallen, es war sowieso nicht viel geredet worden, mehr wohlig gestöhnt und geseufzt....



Greta fand auch bald einen Lieblingsplatz zum Schlafen: Seine Halskuhle (die immer noch nach "Cerrutti" duftete), wo sie gleich darauf selig einschlief.



Am nächsten Morgen weckte sie um zehn die Sonne auf, die durch ihr Schlafzimmerfenster schien. Noch bevor sie richtig die Augen öffnete, merkte Greta natürlich, dass ihr Kopf nicht mehr in eine duftende Halskuhle gebettet war, und dass diese Halskuhle zusammen mit dem Mann drumherum auch nirgendwo sonst im Bett zu ertasten war. Noch halb im Schlaf erinnerte sich Greta an den Morgen damals mit Björn, der ihr von ganz allein und ohne Zwang Frühstück gemacht hatte. Aber dann fiel ihr ein, dass Nicolas ja Spanier war und wohl kaum in eine Küche gehen würde, wenn eine Frau in der Nähe war, die das erledigen konnte. Und schlagartig öffnete Greta die Augen....nein, kein Nicolas, nur ein hungriger Kater, der sie vorwurfsvoll ansah. Ausser ihnen beiden war sonst niemand in der kleinen Wohnung. Sofort hatte Greta ein flaues Gefühl im Magen. War sie vielleicht doch nicht ein so einschneidendes Erlebnis für ihn gewesen? Hatte er nur mal schnell einen "one-night-stand" gebraucht? Hatte sie vielleicht geschnarcht oder im Schlaf sonst etwas gemacht, was vielleicht nicht zu seiner Vorstellung einer Traumfrau passte? Fragen über Fragen, während sie nach einem Stück Papier, einer Nachricht von ihm suchte und nichts fand. Es wäre zwar nicht das erste Mal gewesen, dass Greta so etwas passierte, aber doch das erste Mal, dass sie so einen tollen Mann in ihrem Bett gehabt hatte, der ausserdem auch noch der tollste Liebhaber gewesen war. Also was nun? Auf keinen Fall weinen, sondern besser ganz laute Ablenkmusik anstellen (nicht Leonard Cohen, der hätte sie jetzt noch trauriger gemacht) und unter die Dusche, die sie wirklich nötig hatte. Gerade als sie sich von oben bis unten eingeseift hatte, klingelte das Telefon. Normalerweise hätte sie es klingeln lassen, aber in diesem Fall rutschte sie auf seifigen Füssen durch die halbe Wohnung, fiel beinahe noch über den erschreckten Kater und hatte dann endlich den Hörer in der Hand.



"Hallo, du Zaubermaus.....ausgeschlafen?" Greta wurden die Knie weich und sie musste erstmal ihre Stimme wiederfinden....."ja, bin gerade aufgewacht....ach, du bist also nicht mehr hier?" (manchmal konnte Greta gut lügen).

"Nein, Mäuschen, ich bin schon am Geschäfte machen, Du weisst ja, dass ich nicht nur wegen dir nach Barcelona gekommen bin...." (Klar, jetzt erinnerte sich Greta...noch ein Stein plumpste von ihrem Herzen).

"Also, Mäuschen.." (bei jedem "Mäuschen" hüpfte Greta's Herz ein bisschen höher, niemand hatte sie je so genannt)...ich muss weitermachen. Ich wollte Dich nur fragen, ob wir uns heute abend sehen können.... Du weisst ja, wo ich mit dir hingehen will..!"

Oh Gott, also doch. Und was jetzt?

"Nicolas, ich dachte, dass wir beide allein etwas unternehmen könnten. Ich kenne da ein paar tolle Lokale..." Bitte, lieber Gott, lass ihn zustimmen, BITTE!!!!!!!

"Aber Greta, ich war der Meinung, dass das auch in deinem Sinne ist. Das hast du mir doch in deinem mail gesagt, hast Du es Dir jetzt etwa anders überlegt? Du weisst doch, wie ich über diese Sache denke...." Es gab keinen lieben Gott, und jetzt half ihr nichts mehr, wenn sie diesen Mann wenigstens versuchen wollte, zu halten.

"Ja klar, Nicolas, ich bin dabei. Ich dachte nur, Du und ich... ich meine, wir müssen doch noch so viel über den anderen lernen....." Ein Lachen am anderen Ende.

"Greta, ich weiss alles über dich, was ich wissen muss. Du bist die schärfste Frau, die mir je über den Weg gelaufen ist. Ich kann es nicht abwarten, zu sehen, wie du andere Männer wahnsinnig machst."

Oh, verdammt....klang das wie ein Mann, der sich verliebt hatte? Es hörte sich ja eher an, als ob er sie für eine billige Nutte hielt.

"Nicolas, entschuldige, ich weiss, du bist in Eile, aber könntest du mir noch mal schnell erklären, wieso du so geil darauf bist, in solch einen Club zu gehen? Vermisst du bei mir irgendwas?"

In seiner Stimme klang Ungeduld. "Greta, ich habe es dir doch schon mehrmals versucht, zu erklären. Das ist eben meine Eigenart, mein "Fimmel", wenn du so willst. Ich weiss, dass eine Beziehung mit der Zeit Abnutzungserscheinungen zeigt, und dass dann sicher einer der beiden oder sogar beide, ausserhalb der Beziehung sexuelle Abwechslung suchen, was ja auch ganz normal ist. Und das will ich eben nicht. Meine Partnerin kann so viele verschiedene Männer haben, wie sie will, aber eben immer mit mir zusammen. Es soll keine Heimlichkeiten geben und hat auch nichts damit zu tun, was wir füreinander fühlen. Ich will, dass du gleich von Anfang an lernst, dass die eine Sache unsere Liebe ist und eine ganz andere der Sex mit anderen Leuten. Was ich mir erträume und mir immer gewünscht habe, ist, mit meiner Partnerin in so einem Club rumzumachen, bis wir beide vollkommen befriedigt sind, dann zusammen in unser kuscheliges Zuhause zu fahren und bei einem letzten Glas Wein vor dem Schlafengehen noch einmal unsere Erlebnisse zu bereden und zu belachen. Könntest du dir das nicht so vorstellen, Greta?"

(Vorsicht, jetzt sagte er nicht mehr "Mäuschen"....)



Greta schluckte ein paarmal trocken....."mmmm ja, also, ich weiss nicht, na ja, vielleicht..." Seine Stimme wurde noch ein bisschen weniger zärtlich "Also, wenn du dir nicht sicher bist, sage es mir. Ich will und kann dich auf keinen Fall zwingen. Aber dann weiss ich eben, dass du doch nicht die Frau bist, die ich suche und die ich meiner Ansicht nach in dir gefunden hatte......bloss dann sage mir mal bitte, wieso du mir das letzte mail geschrieben hast."

Na klar, das hätte sie sich ja auch denken können. Sie überlegte einen Moment krampfhaft. Sollte sie mit Nicolas......oder sollte sie nicht, was bedeutete, dass sie Nicolas endgültig verloren hatte? Sie durfte diesen tollen Mann (und noch tolleren Liebhaber) nicht verärgern, also schluckte sie nochmal und sagte dann ganz fröhlich:

"Nicolas, ich mach doch nur Spass, ich wollte nur wissen, wie du reagierst. Natürlich gehe ich mit und ich bin schon ganz scharf, wenn ich daran denke.." (Greta zauberte sogar ein kleines lustvolles Gurren in ihre Stimme....manchmal war sie eine ganz gute Schauspielerin).

Nicolas lachte "Du bist mir eine....das wollte ich hören. Das wird die tollste Nacht deines Lebens, mein Mäuschen.." (unmöglich, die tollste Nacht hatte sie gerade hinter sich gebracht).

"Also, der Club liegt ein bisschen weit draussen, kurz vor Sitges, direkt am Meer. Ich hole dich so um acht ab und... zieh dir sexy Unterwäsche an......".

Und schon hatte er aufgehängt und da stand Greta nun, mitten im Wohnzimmer, mit ihren Füssen in einer Seifenlache und Gänsehaut (denn so warm war es auch noch nicht) und ausserdem vollkommen ratlos, verwirrt und verängstigt. Ja, sie hatte einfach riesengrosse Angst vor dem, was da auf sie zukam.



Aber als Nicolas um kurz nach acht vorfuhr, konnte er davon nichts merken. Eine strahlende Greta ganz in schwarz (ein bisschen rote Spitze ihres Bodies zeigte sich ab und zu kokett in ihrem tiefen Ausschnitt) begrüsste ihn leidenschaftlich (sie wurde noch zur Alkoholikerin wegen den verdammten Männern, sie hatte praktisch den ganzen Tag nichts gegessen, aber mehrere Gin-Tonics getrunken, immerhin musste sie sich ja "Mut antrinken"). Nicolas begutachtete sie zufrieden von oben bis unten und sagte dann:

"Kann es sein, dass ich in deinen Augen ein lüsternes Aufblitzen sehe?"

(Oh Mann, dachte Greta, wenn der wüsste, das es die pure Angst ist, die er in meinen Augen sieht, aber das darf er nicht wissen, sonst ist er weg).

Also ging die Fahrt los und Greta lagen die Gin-Tonics wie ein Stein im Magen. Sie wünschte sich, nie im Club anzukommen, dann wiederum sah sie das Profil von Nicolas und der war wirklich so ein gutaussehender Mann und ausserdem so lieb zu ihr, dass sie sich mit allen Kräften vornahm, zu versuchen, seine Vorliebe wenigstens zu dulden, wenn sie sich auch nicht vorstellen konnte, sie zu teilen.



Während der Fahrt war Nicolas vollkommen aufgekratzt und schien gar nicht zu merken, dass Greta ziemlich still an seiner Seite sass. Wohl um sie richtig in Stimmung zu bringen, erzählte er ihr von früheren Erlebnissen in Clubs dieser Art.... von erotischen Szenen mit zwei oder drei oder vier Frauen (Greta kochte vor Eifersucht) oder mit einer Frau und zwei oder drei Männern (das hörte sich für Greta schon besser an, aber nur wenn sie die Frau wäre..).

Die Fahrt dauerte ziemlich lange, zuerst über eine langweilige Autobahn, aber dann wurde es romantisch (wenn Greta der Sinn nach Romantik gestanden hätte, was nicht der Fall war) denn sie fuhren auf einer schmalen kurvigen Strasse auf der Steilküste neben der Costa Dorada. Dann plötzlich bog er rechts ab, fuhr noch ein Stückchen durch eine Palmenallee und hielt dann vor einer herrlichen weissen Villa. Es standen dort mehrere Autos und Greta wusste, dass es jetzt ernst wurde. Einen Moment lang dachte sie wirklich daran, Nicolas zu bitten, wieder zurückzufahren...aber da machte er ihr schon die Tür auf und strahlte sie so an, dass sie nichts sagte, sondern nur (hoffentlich nicht zu verkrampft) lächelte. Nach dem Klingeln wurde ihnen von einem jungen Mann in knapp anliegenden Shorts geöffnet. Nicolas war scheinbar sehr bekannt und beliebt, denn der junge Mann umarmte ihn und küsste ihn auf den Mund. Greta nahm sich vor, sich über nichts mehr zu wundern, sondern zu versuchen, den Abend irgendwie hinter sich zu bringen. Musik und Stimmengewirr drang ihnen entgegen, es schienen schon viele Leute dazusein. Der junge Mann legte nun den Arm um Greta (zum Glück versuchte er nicht, sie ebenfalls zu küssen) und führte beide in eine Art Umkleidezimmer. Nicolas zog sich blitzschnell aus und stand dann in seiner herrlichen Nackheit da, nur mit einem winzigkleinen Tanga bekleidet, der kaum etwas verhüllte, im Gegenteil der betonte, was sich unter diesem kleinen Stück Stoff schon erwartungsvoll regte. Greta zog sich auch aus und stand dann in ihrem roten Body ziemlich bescheuert und verschämt da, bis Nicolas ihr Komplimente machte. Sie sah sich in einem Spiegel und musste ihm eigentlich recht geben, sie sah wirklich ziemlich appetitlich aus, trotz ihrer üppigen Kurven.



Der junge Mann von vorher war wieder da, auch er machte Greta ein Kompliment (obwohl sein Interesse offensichtlich mehr Nicolas galt), und geleitete sie dann in ein riesiges Wohnzimmer. Es war schon ziemlich voll mit Leuten und Greta wurde wieder unsicher, als sich alle Blicke auf sie richteten. Sie wurden an eine Bar geführt, wo sie erst einmal ein Glas Sekt bekamen. Mit dem Glas in der Hand fühlte sich Greta schon ein bisschen lockerer und sah ein wenig umher. Sie zählte fünf Pärchen, einige unterhielten sich untereinander, schienen sich bereits zu kennen oder hatten sogar bereits innigen Kontakt geschlossen.

Nicolas nahm Greta bei der Hand (mit der anderen umklammerte sie das inzwischen dritte Glas Sekt) und führte sie zu zwei freien Sitzplätzen auf einer Couch. Greta sass da, nippte am Sekt und liess ihre Blicke umherschweifen. Sie ertappte zwei oder drei Männer, die sehnsüchtig auf ihren Körper starrten, und hoffte, dass ihr kühler Blick (den Nicolas nicht sehen konnte) signalisierte, dass sie nicht daran dachte, mit diesen Herren irgendeine Art von Körperkontakt zu haben. Nicolas hielt immer noch ihre Hand, aber als Gretas Blick zurück zu ihm kam, hielt seine andere Hand kein Glas mehr, sondern eine appetitliche Brust, die zu einer ziemlich hübschen jungen Frau gehörte, die kaum etwas anhatte und mit gespreizten Beinen vor Nicolas stand. Nicolas stellte sie Greta vor (die Hübsche hiess Laura) und berichtete ihr, dass er Laura hier schon mehrmals "getroffen" hätte. Laura streichelte Gretas Wange und setzte sich gleich darauf auf Nicolas' Schoss, bzw. genau auf die Beule in seinem Tanga. Nicolas zog Greta zu sich, so dass sie jetzt praktisch eine dreiteilige Einheit bildeten. Laura nahm Gretas Hand und ermutigte sie, doch ihren Körper zu erkunden. Greta sah Nicolas fragend an, und als Antwort küsste er zuerst sie und dann Laura (Greta rief sich beim Anblick dieses Kusses ins Gedächtnis, dass das ja alles nichts zu bedeuten hätte, sondern nur Auftakt zu purem animalischen Sex war, aber sie war trotzdem eifersüchtig). Als sie dann sah, wie die Hand von Nicolas sich unter den schwarzen Slip des Mädchens tastete und Laura mit viel Stöhnen bewies, dass Nicolas seine Finger wirklich sehr gekonnt einsetzen konnte, wurde Greta schlecht.

Sie entschuldigte sich bei den Beiden (die gar nichts mehr mitbekamen, da sie damit beschäftigt waren, die gegenseitigen Unterleiber zu erforschen) und liess sich von dem jungen Mann von vorhin zeigen, wo das Badezimmer war. Sie kam gerade noch bis zur Toilette, bevor sie sich auch schon übergeben musste. Es ging ihr so schlecht, dass sie mehrere Momente lang ehrlich wünschte, zu sterben. Aber so schnell stirbt man nicht und Greta schon gar nicht. Nachdem ihr Magen vollkommen leer war, machte sie sich mit viel kaltem Wasser frisch und überlegte währenddessen, was sie jetzt wohl tun könnte/wollte. Sie war inzwischen schon ziemlich lange weggeblieben, und dass Nicolas nicht nach ihr schaute, bewies, dass ihm sein Wohlergehen wohl wichtiger war, als das von Greta. Nachdem sie sich so gut es ging wieder hergerichtet hatte, stöckelte sie auf etwas wackeligen Beinen zurück ins Wohnzimmer. Aber dort gab es keinen Nicolas, keine Laura und auch der junge Mann in Shorts war nicht mehr zu sehen. Eine ältere Frau sass an der Bar und winkte Greta zu sich.



"Suchst du deinen Freund?" Als Greta nickte, zeigte die Frau auf eine offene Tür, die vom Wohnzimmer abging.

"Dort sind sie und warten bestimmt schon auf dich. Viel Spass!"



Greta wusste, dass sie dort besser nicht hingehen sollte, sie wusste, dass der Anblick, der dort auf sie wartete das Ende ihrer Gefühle für Nicolas bedeuten würde, aber sie wollte es trotzdem wissen. Und dort waren alle drei. Im Halbdunkel war schlecht zu erkennen, wo ein Körper aufhörte und der andere anfing. Laura war allerdings gut zu sehen, weil sie sich um beide Männer gleichzeitig kümmerte und neben ihnen auf dem Bett kniete. Dass Nicolas sich mit Laura vergnügen würde, damit hatte Greta schon gerechnet und es überraschte sie nicht, was ihr aber den Rest gab, war, zu sehen, dass dieser "pure animalische Sex", von dem Nicolas gesprochen hatte, jetzt in diesem Moment allein zwischen den beiden Männern stattfand, auch wenn Lauras Hände mitspielten. Jetzt war Greta nicht mal mehr eifersüchtig, sondern nur noch total geschockt. Nicolas hatte offensichtlich vergessen, ihr zu beichten, dass er ausser dem Gruppensex auch Männer liebte, denn das war unübersehbar.



Tja, das war's denn wohl. Wie eine Marionette machte Greta kehrt, ging in das Umkleidezimmer, zog sich schnell an, rief von ihrem Handy aus ein Taxi (dank demjenigen, der das Handy erfunden hatte) und ging unbemerkt zur Tür hinaus. Die kühle Luft draussen beruhigte sie ein wenig. Sie verurteilte Nicolas nicht, sie war auch nicht böse auf ihn, er ekelte sie nur an. Das Taxi kam überraschend schnell und Greta konnte erst tief Luft holen, als die Villa hinter ihr nicht mehr zu sehen war. Bis zum letzten Moment hatte sie befürchtet, dass Nicolas hinter ihr herkäme, was aber zum Glück nicht passiert war.



Weder hörte sie jemals wieder etwas von Nicolas, noch wollte sie jemals wieder etwas von ihm hören. Auch den Sex-Chat besuchte sie nie wieder.

Und überhaupt....diese verdammten Männer sollten ihr gestohlen bleiben!



**********

5. Kapitel - BETRUNKEN IN ANDORRA

Nach der Enttäuschung mit Nicolas hatte sich das bekannte tiefe Loch in Gretas' Seele mal wieder weit geöffnet. Sie fühlte sich so allein und verlassen, wie selten zuvor. Das Büro wurde auch immer unerträglicher. Ihr Chef hatte offensichtlich sadistische Neigungen, denn trotzdem es nicht zu übersehen war, daß Greta ziemlichen Kummer hatte, machte es ihm großen Spaß, ihr immer wieder zu zeigen, daß sie in dem Job doch eigentlich nichts richtig machte und jeden Tag damit rechnen konnte, hinausgeworfen zu werden. Leider hatte Greta nur einen Vertrag auf Zeit, der bald ablief und den ihr Arbeitgeber ohne Konsequenzen einfach nicht zu erneuern brauchte, wenn er sie nicht mehr wollte. (In Spanien ist das leider so!) Auch ihr liebster Kollege, der sie bis dahin immer unterstützt hatte und mit dem sie eine (wie Greta meinte) tiefe Freundschaft verband, ging plötzlich zur anderen Seite über, schleimte bei dem Chef und redete nicht einmal mehr mit Greta. Die Welt war auf einmal ziemlich trostlos und traurig, trotz Sonne und Palmen, die Greta meistens gar nicht mehr wahrnahm.



Wie schon so oft zuvor merkte Greta, wie sehr sie doch eigentlich einen Mann vermißte, der ihr wenigstens etwas den Rücken stärken konnte, finanziell und auch emotionell, eben was man in den deutschen Talkshows als "Stütze" bezeichnete. Aber nach den Enttäuschungen mit Erik, Bjoern und Nicolas (und sogar Irina) begann Greta, ernsthaft daran zu zweifeln, ob es ihr überhaupt noch möglich war, bei einem Mann dauerhafte romantische Gefühle hervorzurufen und vor allem, ihrerseits ihn mit allen seinen Macken zu ertragen.



Als sie eines Abends wieder einmal im Internet surfte, fand sie sich plötzlich auf einer spanischen Kontaktanzeigenseite. Obwohl sie es eigentlich hätte besser wissen müssen, konnte Greta es einfach nicht lassen - sie las alle Anzeigen mit viel Interesse und plötzlich machte ihr Herz einen kleinen Sprung: Die Annonce eines Mannes, der praktisch genau nach ihr suchte. Seine Annonce lautete so:



Geschiedener, Doktor der Astrophysik (in Cambridge studiert und promoviert), sucht eine Frau, die gebildet, intelligent, ehrlich, authentisch und humorvoll ist. Umso besser, wenn Du außerdem auch noch hübsch bist, was aber nicht unbedingt notwendig ist. Zwar kann ich an ein solches Wunder kaum glauben, setze aber diese Annonce auf, um eines besseren belehrt zu werden. Dein Alter ist zwar unwichtig, ich würde aber trotzdem eine Dame zwischen 32 und 44 Jahren bevorzugen. Eine Bitte habe ich: Antworte mir nicht, wenn Du nicht alle Bedingungen erfüllst.

Diese Annonce ist absolut ernstgemeint und ich bitte Dich, mir genauso seriös zu antworten.

email.......





Dieser Mann hörte sich ganz anders an, als alle Spanier, die Greta bisher kennengelernt hatte. Wenn er wirklich in Cambridge studiert hatte, hatte er vielleicht eine andere Mentalität und war nicht so ein "Macho" wie praktisch alle Spanier in Greta's Alter. Sie machte sich sofort daran, ihm ein mail zu schicken. Da sie aber nicht wußte, wie es mit seiner Mentalität wirklich aussah, erzählte sie ihm weder von ihren Erfahrungen mit Internet-Männern (Spanier wollen immer das Gefühl haben, höchstens der zweite Mann im Leben einer Frau zu sein - sie mögen es nicht, wenn die Frau schon mit anderen geschlafen hat und Vergleiche ziehen kann..), auch sagte Greta eigentlich überhaupt wenig von sich, sondern eben nur, daß sie daran interessiert wäre, ihn kennenzulernen. Allerdings erwähnte sie natürlich auch, daß sie Deutsche war, denn das bedeutete immer einen Pluspunkt bei Spaniern. Wenn sie die Wahl hatten, zogen sie meistens als Geliebte eine Ausländerin vor. Ausländerinnen (besonders Deutsche und Schwedinnen) hatten den Ruf, leicht zu haben und außerdem auch nicht so prüde zu sein, wie die normale Spanierin. Allerdings stammten diese Vorurteile hauptsächlich aus den 60iger Jahren, als die Spanierinnen praktisch alle jungfräulich in die Ehe gingen und die jungen Spanier bis zur Hochzeit deswegen zum Druckabbau auf ausländische Touristinnen zurückgreifen mußten. Heutzutage gab es zwar kaum noch eine jungfräuliche Spanierin über 16, aber das Vorurteil spukte in den Köpfen der Männer trotzdem weiter herum, besonders in denen über vierzig - zum Vorteil von Greta, in diesem Fall. Sie wußte, allein die Tatsache, Deutsche zu sein, ließ sie von dem Rest der "Bewerberinnen" auf diese Annonce hervorstechen.



Und das Warten begann. Ein Tag, zwei Tage, drei Tage...... eine Woche. Als Greta sich langsam eingestehen mußte, daß dieser Mann wohl keine Deutsche suchte, bekam sie dann doch eine Antwort. Seiten über Seiten über Seiten. Meine Güte, konnte dieser Mann schreiben! Er hieß Antonio, hatte einen ziemlich schwarzen, englischen Humor, nahm sich scheinbar auch gern selbst auf den Arm und schien vor allem sehr intelligent und belesen zu sein. Er erzählte viel von sich, stellte Greta auch Fragen, und schien ganz ernsthaft an ihr interessiert zu sein. Sogar so sehr, daß er ihr ein Telefon aufgeschrieben hatte und sie bat, ihn so schnell wie möglich anzurufen. Das tat Greta auch sofort (natürlich nach einem riesigen Gin-Tonic). Erst als sie die Nummer schon halb gewählt hatte, fiel ihr auf, daß diese ja gar nicht zu Spanien gehörte, sondern eine ausländische Vorwahl hatte. Greta legte schnell wieder auf und blätterte im Telefonbuch, bis sie erfuhr, woher diese Vorwahl stammte. Erleichtert stellte sie fest, dass dieser Mann in Andorra lebte, also gar nicht so weit weg. Greta wußte von Andorra nur, daß sich dieses winzige Land zwischen Spanien und Frankreich befand und sowohl ein herrliches Skigebiet, als auch ein Steuerparadies war. Noch nie war sie dort gewesen (von Sport hielt sie ja nicht viel und Geld zum Anlegen hatte sie auch keins..), hatte aber von Freunden gehört, daß dort hauptsächlich reiche Leute wohnten, die sich so davor drückten, spanische Steuern abzuführen.



Nachdem sie jetzt etwas mehr wußte, wählte sie noch einmal. Gleich beim ersten Klingeln antwortete eine fröhliche junge Frauenstimme. Greta schluckte, war sicher, sich verwählt zu haben, fragte aber doch nach diesem Antonio. "Ja," meinte die junge Stimme mit einem Lachen, "..Moment mal, hier ist er." Ein kleines Tuscheln konnte Greta am anderen Ende hören, sogar ein paar Brocken vonwegen "...alemana" (Deutsche) schnappte sie auf, scheinbar hatte die junge Stimme sofort ihren Akzent erkannt. Dann ein tiefstimmiges Räuspern, man hörte den Zug an einer Zigarette (hurrah, endlich mal ein Raucher...frohlockte Greta, immerhin ein Pluspunkt nach all den sterilen Deutschen, die vorwurfsvoll und hustend jede ihrer schwarzen Zigaretten kritisiert hatten..) und dann war ER voll am Apparat (vorher hatte Greta noch gehört, wie eine Tür geschlossen wurde, scheinbar war man jetzt ganz intim zu zweit..)



Eine tiefe, dunkle, attraktive Männerstimme sagte ihr mit erfreutem-erwartungsvollem Unterton "Hallo". Greta stellte sich vor (auch mit einem erfreut-erwartungsvollen Unterton). Nachdem er wußte, wer sie war, erklärte Antonio sofort - ohne, daß Greta gefragt hätte -, daß die Dame, die das Telefon abgenommen hatte, nur eine gute Bekannte wäre, die er dieses Wochenende (natürlich zusammen mit ihrem Freund) zu Besuch bei sich hätte.... Greta fiel ein Stein vom Herzen - sie konnte ja nicht wissen, auf welche Art von polygamen Mann sie bei dieser ziemlich unsicheren Suche gestoßen war. Aber schon nach fünf Minuten wurde gelacht, und als Greta den Hörer auflegte, stellte sie überrascht fest, daß sie über drei Stunden mit diesem Mann gesprochen und sich nicht einen Moment gelangweilt hatte. Sie konnte nicht abwarten, ihn kennenzulernen, er hörte sich wirklich an, wie die Erfüllung all ihrer Träume. Er schien sehr viel Geld zu haben, denn - obwohl Astrophysiker - arbeitete er nur sporadisch, und ließ es sich ansonsten gutgehen. Er malte Bilder, schrieb Bücher und war geschieden. Laut seiner Aussage war er gerade fünzig geworden, hörte sich aber noch ganz jugendlich an. Gretas Herz lebte wieder. Morgen würde sie ihn kennenlernen. Er kam mit seinem BMW die 150 km bis nach Barcelona, wollte bei einem Freund wohnen und Greta ganz, ganz gründlich kennenlernen.



Wohl noch nie hatte sich Greta so sorgfältig zurechtgemacht für das Büro, wie am nächsten Morgen. Sie schaffte es, in einer Stunde unwahrscheinlich viel Makeup aufzutragen, hinterher aber so auszusehen, als ob sie praktisch ungeschminkt, und höchstens dreißig Jahre alt (na ja, wir wollen nicht übertreiben, fünfunddreißig also..) wäre. Sie war mit Antonio zum Mittagessen verblieben (Greta hatte gelesen, daß das Mittagessen als erstes Date vorzuziehen war, denn wenn einem der Mann nicht gefiel, konnte man immer irgendeine Entschuldigung vorbringen, vonwegen "Oh Gott, ich hatte ganz vergessen, daß ich noch die und die Übersetzung fertigmachen muß....", oder "Du meine Güte, gerade ist mein Chef hier vorbeigegangen und geht ins Büro, also muß ich jetzt auch zurück..!")



Mit nervösen Fingern, die kaum richtig tippen konnten, brachte Greta den Morgen irgendwie hinter sich und ging dann mit zitternden Knien und flauem Magen in die Richtung des Restaurants. Gleich neben der Tür stand ein krankaussehender Mann mit gelblicher Haut und Augensäcken, den Greta natürlich nicht eines Blickes würdigte, sondern schnurstracks an ihm vorbeiging. Aber sie wurde zu Stein, als hinter ihr die attraktive Telefonstimme fragend ihren Namen rief. Sie konnte es nicht glauben, blieb aber trotzdem stehen und drehte sich zu der Stimme hin. Stand vielleicht in der Nähe dieses Gelbhäutigen ein attraktiver glutäugiger Spanier, den sie übersehen hatte? Nein, leider nicht. Offensichtlich hatte eine krank-gelbe Gesichtsfarbe keinen Einfluß auf die Attraktivität einer Stimme. Er war es: Antonio, der scheinbar nicht sehr gesund war. Greta schluckte ein paarmal, setzte ein falsches Lächeln auf (blickte ganz demonstrativ auf ihre Uhr), gab ihm die Hand und meinte, "Hallo, Antonio, eigentlich bin ich nur gekommen, um dir zu sagen, daß mir etwas dazwischengekommen ist, mein Chef erwartet einen Kunden aus Amerika und ich muß dolmetschen..." Das verstand Antonio natürlich (obwohl Greta der zweifelnde Blick, den er ihr zuwarf, nicht entging), aber er meinte, daß sie ja wohl doch mindestens zehn Minuten Zeit hätte. Das konnte Greta ihm nicht abschlagen, immerhin hatte er ja die Reise von Andorra nach Barcelona nur wegen ihr gemacht. Sie begleitete ihn also ins Restaurant (...und betete, daß keine ihrer Arbeitskollegen zufällig dort aßen, denn mit diesem Mann konnte sie wirklich nicht angeben). Zum Glück hatte der liebe Gott (oder sonstwer) ein Einsehen, denn niemand war da, den Greta kannte und sie zog Antonio schnell zu einem versteckten Ecktischchen hinter einer großen Palme. Er fragte nach ihren Wünschen, und, obwohl Greta liebend gern einen riesigen Martini-Cocktail getrunken hätte, traute sie sich nicht, denn auch wenn sie diesen Mann höchstwahrscheinlich nie wiedersehen würde, wollte sie doch nicht als Alkoholikerin in seiner Erinnerung bestehen bleiben. Also bestellte sie nur einen Kaffee (der ihrem nervösen und leeren Magen keinen guten Dienst erwies), zündete sich eine Zigarette an und wartete darauf, daß die zehn Minuten vorbeigehen würden.



Aber nachdem die Getränke gekommen waren (Antonio hatte sich nur ein teures französisches Mineralwasser bestellt), begann er, von sich zu erzählen. Er erklärte ihr den Beruf (oder, laut ihm mehr "Berufung" ) des Astrophysikers, weiterhin, daß er inoffiziell an Projekten der NASA mitarbeitete, ab und zu auch mal schnell auf die kanarischen Inseln flog, wo sich die größte Sternwarte Spaniens befand, hauptsächlich aber zusammen mit Kollegen, die verstreut in der ganzen Welt lebten, Berechnungen über die unbekannten "schwarzen Löcher" im Weltall anstellte. Und auf Gretas Fragen hin, ging er auf ein faszinierendes Thema ein, nämlich die Entstehung der Erde. Laut der "Big Bang" Theorie begann das wahrnehmbare Universum durch einen sich ständig erweiternden Punkt, so ungefähr vor zehn bis zwanzig Billionen Jahren. Seitdem wäre das Universum unaufhaltsam gewachsen, und so auch die Entfernung zwischen unserer Milchstraße und den äußeren Galaxien. Sollte das Universum dicht genug sein, so würde sich die Erweiterung des Universums schließlich umkehren und das würde letztendlich zu seinem Kollaps führen. Daher hänge das endgültige Schicksal des Universums allein von seiner Dichte ab.



Auf Gretas erschreckten Blick hin bei diesen deprimierenden Aussichten, die er so ruhig erzählte, lachte Antonio, streichelte sogar ihre Hand und meinte, daß sie beide sich wohl darüber keine Sorgen machen müßten, und besonders sie sich nicht ihr hübsches Köpfchen zerbrechen sollte, denn in den nächsten tausend Jahren würde wohl nichts passieren.



Jetzt, wo Greta merkte, daß sie wirklich einen Experten vor sich hatte, wagte sie es, eine Frage zu stellen, die ihr schon lange auf der Seele brannte:



"Meinst du, daß es außerhalb der Erde Leben gibt?"



Antonio lächelte ein wenig überheblich und meinte dann, daß ihm diese Frage nicht zum erstenmal gestellt würde. Er ließ Greta's Hand immer noch nicht los und antwortete:



"Soweit wir wissen, gibt es das nicht. Es existieren 9 Planeten im Sonnensystem und nur ein Mond, nämlich der Mond vom Saturn, mit Namen Titan, der bekannterweise eine Atmosphäre besitzt. Aber abgesehen von unserer Erde, hat kein anderer Planet oder Mond in unserem Sonnensystem ein System, das Leben, so wie wir es kennen, zulassen würde. Titan und die Jupiter-Atmosphäre jedoch, könnten eine Art komplexer organischer Moleküle besitzen, einschließlich einiger Aminosäuren und einfacher Proteine in einem vorbiologischem Stadium. Aber kein Experte erwartet ernsthaft, außerhalb der Erde Bakterien oder einzelzelliges Leben anzutreffen."



Wie gebannt hing Greta an seinen Lippen. Noch nie hatte sie einen so gebildeten Mann wie ihn kennenglernt.



Als Greta der Mund trocken wurde, weil nichts mehr zu trinken da war, und gleichzeitig mit ihrer Armbanduhr konfrontiert wurde, die ihr weismachen wollte, daß sage und schreibe zwei Stunden vergangen waren, verstand Greta die Welt nicht mehr. Vergessen war seine Hautfarbe (sooo gelb kam er ihr gar nicht mehr vor) und sein allgemein ungesundes Aussehen (bei einer Größe von ca. 1,80 dürfte er höchstens 60 kg wiegen, war also praktisch ein Gerippe) - das Einzige, was Greta wollte, war, ihm immer weiter und weiter zuzuhören. Aber das ging jetzt wirklich nicht mehr, denn auch ihre reguläre Mittagspause war längst vorbei und sie mußte ganz schnell wieder ins Büro (und betete, daß ihr erbarmungsloser Chef inzwischen nicht gekommen war).



Antonio brachte sie die paar Schritte zu ihrem Büro und küßte ihr die Hand zum Abschied (dabei wurden Greta die Knie weich, sie konnte sich nicht daran erinnern, wann ihr das letztemal die Hand geküßt worden war), und nachdem er sich entschuldigte, weil er gar nicht daran gedacht hatte, etwas Eßbares zu bestellen, mußte Greta ihm versprechen, ihn gleich heute abend wiederzusehen. Greta verstand sich selbst nicht mehr, als sie sofort zusagte, ihm dann ganz spontan zwei spanische Küßchen auf die Wangen gab (wenigstens roch er angenehm, wie sie erfreut feststellte) und beschwingt ins Büro ging.



Der Himmel war auf ihrer Seite - der Chef war noch nicht da, also konnte Greta bloß so tun, als ob sie arbeitete, aber in Wirklichkeit das Treffen mit Antonio wieder und wieder nacherlebte. Was für ein intelligenter und gebildeter Mann, was konnte sie von ihm lernen! Greta war ein wißbegieriger Mensch und für sie bedeute ein "Mann" automatisch auch, daß der ihr in jeder Beziehung etwas beibringen konnte. Leider hatte Greta in Spanien ziemliche Abstriche machen müssen, was die Bildung der Männer betraf, denn Schulen waren in diesem Land sehr teuer, Schulpflicht gab es bis vor einigen Jahren auch nicht, so daß sie bei ihren bisherigen spanischen Freunden schon dankbar sein mußte, wenn die überhaupt lesen und schreiben konnten.



Und dann, gerade als Greta nervös auf die Uhr sah und erfreut feststellen konnte, daß nur noch anderthalb Stunden irgendwie rumbekommen werden mußten, bis es sieben war und sie Antonio wiedersehen konnte, geschah etwas ganz Schreckliches. Ihr Chef kam doch noch ins Büro, sein Gesichtsausdruck zeigte, daß er furchtbar schlechte Laune hatte, und wie üblich war es die sanfte Greta, die das beste Opfer darstellte, um sich abzureagieren. Denn der Chef hatte Greta wahrscheinlich damals schon aus diesem Grund eingestellt. Da Greta, im Unterschied zu den meisten anderen Kolleginnen, niemanden hatte, der ihr unter die Arme greifen konnte, sollte sie denn arbeitslos werden, und also absolut nichts riskieren konnte, was eventuell die Möglichkeit einschloß, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, mußte sie wohl oder übel jede Ungerechtigkeit über sich ergehen lassen. Für Sadisten, wie ihren Chef, war sie ein gefundenes Fressen. Greta wußte, was jetzt passieren würde, als sie die entschlossenen harten Schritte ihres Chefs hörte, die sich ihrem Schreibtisch näherten. Ihr Chef warf ein Stück Papier auf die Übersetzung, an der Greta die letzte Stunde ziemlich lustlos gearbeitet hatte.



"Greta, kannst Du (in Spanien ist es üblich, daß sich Chefs und Kollegen – egal welchen Alters – duzen) mir vielleicht erzählen, wieso Du diesem Kunden einen so übermäßig erhöhten Preis für eine Schutzverweigerung berechnet hast?"

Greta war so überrascht, daß sie nur stotternd sagen konnte... "...also das muß ich nachprüfen, aber wenn ich diesen Preis angegeben habe, hast Du ihn mir bestimmt so vorgegeben..." Der Chef schnaubte verächtlich, und - obwohl auch er Deutscher war - redete er mit erhobener Stimme auf spanisch, damit jeder der anderen Chefs (die in dieser Firma Spanier ohne Sprachkenntnisse waren) alles verstehen konnten: "Der Mandant hat mich gerade auf meinem Handy angerufen, um mir zu sagen, daß er ab jetzt auf unseren Service verzichten wird, weil wir ihm eine viel zu hohe Rechnung ausgestellt haben! Das ist allein Deine Schuld, Greta, also überlege Dir jetzt, wie Du Dich vor der Geschäftsleitung rechtfertigst. Denn diese Sache wird schwerwiegende Folgen haben!!"



Damit machte er eine linke Kehrtwendung und ging geradewegs zu einem der Firmeninhaber, wahrscheinlich um sich über Greta zu beschweren. Inzwischen war jede Bewegung im Büro verstummt, alle vierzig Mitarbeiter, die in diesem Grossraumbüro saßen, blickten hin zu Greta. Einige schadenfroh, einige erschreckt, und einige wenige machten ihr mit einer Handbewegung oder einem Augenzwinkern klar, daß Greta es nicht so schwer nehmen sollte - immerhin kannte man ja diesen Chef und wußte Bescheid, vonwegen seiner Ungerechtigkeit.



Greta war so aufgelöst, ratlos, unsicher und wütend, daß sie sich als erstes schnell im Badezimmer versteckte, und eiskaltes Wasser über ihre Pulsadern laufen ließ (was hätte sie jetzt für einen Gin-Tonic - oder noch besser einen Cognac - gegeben!). Währenddessen überlegte sie krampfhaft, wie sie in dieser Angelegenheit ihre Unschuld beweisen konnte. Denn unschuldig war sie ganz sicher, auch wenn sie sich momentan nicht an die Einzelheiten dieser Rechnung erinnern konnte. Mit dem eiskalten Wasser flaute auch der Sturm in ihrem Inneren ab und sie konnte wieder klar denken und wußte, was sie zu tun hatte. Zurück an ihrem Schreibtisch holte sie sich den gesamten Ordner des Mandanten und blätterte in dem Schriftverkehr. Schon bald stieß sie auf eine handschriftliche Notiz ihres Chefs, auf dem die Preise angegeben waren, die diesem Kunden in Rechnung gestellt werden sollten. Danach fand Greta die Kopie der Rechnung, die sie ausgestellt hatte und - siehe da - genau die Preise eingetragen hatte, die ihr Chef vorgegeben hatte.



Greta fiel ein Stein vom Herzen, gleichzeitig stieg aber eine ungeheure Wut in ihr auf, denn Ungerechtigkeiten waren für sie ein rotes Tuch. Schnurstracks ging sie mit dem Ordner zu ihrem Chef, konnte ein leicht ironisches Lächeln nicht vermeiden, zeigte zuerst auf die handschriftliche Notiz und sagte: "Kennst Du diese Schrift?" Ihr Chef studierte eingehend die Notiz (lief dabei ziemlich rot an), dann die Rechnungskopie (Greta meinte, einen oder zwei Schweißtropfen auf seiner Stirn zu sehen) und hob endlich den Kopf. Wie es so seine Art war, sah er Greta nicht in die Augen, sondern auf die Stirn, und sagte: "Ich habe keine Ahnung, wieso ich auf diese Preise gekommen bin, aber das muß ich erst noch genau nachprüfen. Auf jeden Fall hättest Du mich darauf aufmerksam machen können, daß sie viel zu hoch waren. Immerhin habe ich ja noch andere Sachen im Kopf und kann nicht an alles denken..und jetzt geh zurück an deine Arbeit und vertrödele nicht die Zeit mit Recherchen.."

Eine Entschuldigung hatte Greta auch nicht erwartet, es reichte ihr, daß jetzt sowohl er, wie auch die anderen, wußten, daß nicht Greta einen Fehler gemacht hatte - denn natürlich war Greta seinem Beispiel gefolgt und hatte ihre Feststellung laut und klar und auf spanisch in den Raum geworfen - sondern er. Als Greta jetzt zurück an ihren Schreibtisch ging, fing sie einige nette Blicke der Kollegen auf und sogar manches Augenzwinkern, denn kaum jemand mochte diesen Chef. Nur Greta's Kollege, den sie ehemals als Freund betrachtet hatte, warf ihr einen bösen Blick zu und tuschelte sofort mit dem Chef. Aber das konnte Greta auch egal sein, sie hatte sich nicht unterdrücken lassen und war ganz stolz auf sich. Dieser Zwischenfall hatte die Zeit blitzschnell verstreichen lassen, und die Uhr an ihrem Computer wollte ihr weismachen, daß es in nur zehn Minuten schon neunzehn Uhr wäre. Greta tippte noch schnell die letzte Übersetzung zuende (inzwischen fingen ihre Knie und Hände wieder an, zu zittern), und beschloß Antonio fünf Minuten warten zu lassen, denn diese Zeit brauchte sie, um sich neu zu restaurieren.



Frisch geschminkt, gekämmt und parfümiert, verließ sie das Büro, leider nicht allein, da ein paar Kolleginnen sie auf die Episode mit dem Chef ansprachen und mit ihr vor die Tür gingen. Greta wußte nicht, wie sie es fertigbringen sollte, ihnen nicht Antonio vorzustellen, aber zum Glück war er nicht zu sehen. Allerdings stand halb auf dem Bürgersteig ein silberfarbener BMW mit andorranischem Kennzeichen. Um diese Zeit war es schon ziemlich dunkel und der Antonio, der aus dem BMW stieg, sah nur noch groß und elegant aus und gar nicht so gelb. Greta verabschiedete sich schnell von den Kolleginnen und fühlte sich toll, als ihr Antonio wieder die Hand küßte, die Tür des Wagens öffnete und Greta im Rückspiegel die neidischen Augen und vor Staunen offenen Münder der Kolleginnen sah. Sicherlich kannte niemand von ihnen jemanden, der einen BMW fuhr, denn in Spanien war das ein Auto der gehobenen Preisklasse, das sich nur Leute mit sehr viel Geld leisten konnten. Antonio hatte sich inzwischen ans Steuer gesetzt, griff aber kurz nach hinten und legte Greta eine kleine transparente Schachtel mit einer wunderschönen Orchidee auf den Schoß. Greta blieb die Luft weg. Noch niemals in ihrem langen Leben hatte ihr jemand eine Orchidee geschenkt, sie wußte nicht, was sie sagen sollte... Sie brauchte auch gar nichts zu sagen, denn Antonio setzte einfach die Unterhaltung fort, wo sie mittags unterbrochen worden war, durch Greta's Rückkehr ins Büro. Greta merkte, wie sehr er seinen Beruf liebte und daß er zu den wenigen privilegierten Menschen gehörte, die ihr Hobby zum Beruf gemacht hatten.



Schon bald parkte Antonio vor einem der teuersten Restaurants von Barcelona, dem "Reno". Greta war dort schon einige Male mit ausländischen Besuchern der Firma in ihrer Eigenschaft als Dolmetscherin, gewesen und mochte es nicht besonders, weil es absolut keine Intimsphäre gab, aufgrund der vielen Kellner, die nach jedem Schluck Wein das Glas auffüllten. Aber scheinbar wollte Antonio sie beeindrucken, also tat sie ganz erfreut.



Das Abendessen verlief so, wie sie es erwartet hatte. Immer ein Kellner hinter ihr, keine ungestörte Unterhaltung war möglich, weil dauernd jemand fragte, ob man noch etwas wünschte, ob das Essen schmeckte usw.usw. Antonio trank wieder keinen Alkohol, hatte für Greta aber einen sehr teuren französischen Beaujaulais bestellt. Auf ihre Frage hin meinte er, daß er kürzlich krank gewesen wäre und immer noch Tabletten nehmen müßte, die sich mit Alkohol nicht vertrugen. Daß er aber absolut nichts dagegen hätte, daß sie Alkohol tränke. Also sprach Greta dem Wein gut zu, es wäre ja schade um die Flasche. Als die Teller abgeräumt wurden, sah sie erschreckt, daß sie praktisch die ganze Flasche allein getrunken hatte. Sie fühlte sich aber gar nicht betrunken (es war also wirklich ein guter Wein gewesen), sondern vielleicht ein wenig beschwipst und leicht erregt von Antonio, der ab und zu ihre Handfläche sanft küßte. Als der Kaffee kam (plus Cognac für Greta), wanderten Antonio's Lippen über ihr Handgelenk bis beinahe hin zur zarten Armbeuge. Greta bestand nur noch aus Gänsehaut und hatte einen einzigen Wunsch: Sie wollte wissen, wie so ein Intellektueller sich im Bett benehmen würde. Aber Antonio schien keine solche Absicht zu haben. Er fuhr sie zu einem Musical-Pub mit Musik aus den 60iger Jahren und erzählte endlich direkt von sich.



Wie seine Internet-Vorgänger, war auch er von seiner Frau verlassen worden. Aber nicht nur das, sondern seine inzwischen praktisch erwachsenen Kinder hatten es sogar vorgezogen, bei der Mutter auf den Färö-Inseln zu leben. Auf Gretas Frage hin, warum seine Ehe denn nach achtzehn Jahren zerbrochen wäre, antwortete er ziemlich vehement, daß seine Frau zusammen mit den Kindern einer Sekte beigetreten wäre, und da er sich geweigert hätte, das Gleiche zu tun, nicht mehr mit ihm zusammenleben wollten oder durften. Also wären alle vor drei Jahren zurückgegangen zu den Färö-Inseln und er hätte seitdem keinerlei Kontakt mehr zu seiner Familie.



Greta ging das Herz auf. Zwar war sie auch allein, aber seine Einsamkeit war anders als ihre. Sie wußte sich gut zu beschäftigen, bei ihm aber merkte sie, wie sehr er einen anderen Menschen brauchte und mit dem Alleinsein überhaupt nicht zurechtkam.



Inzwischen war es schon zwei Uhr morgens und Greta mußte am Morgen ja wieder arbeiten. Er fuhr sie nachhause und parkte auf dem Bürgersteig, denn natürlich gab es keine Parklücke. Auf ihre Frage hin, ob er bei ihr noch einen Kaffee trinken wollte, schüttelte er den Kopf und meinte, daß sie schlafen müßte, daß er sie aber gerne für das Wochenende nach Andorra einladen würde. Greta war die Uhrzeit egal, sie war immer noch erregt und wollte ihn einfach haben, aber natürlich konnte sie ihn nicht zwingen. Zum Abschied küßte sie ihn zum erstenmal auf die Lippen und stellte glücklich fest, daß sie ihn bis hierhin auch körperlich mochte. Er küßte gut und Greta wollte mehr. Aber er umarmte sie so fest, daß es ihr unmöglich war, ihre Hände ein wenig über seinen Körper wandern zu lassen. Verwundert stellte sie fest, daß er scheinbar nicht mehr wollte, als sie eben nur zu küssen. Im Gegensatz zu früheren Liebhabern betastete Antonio weder ihre Brust, noch schien er sonst an ihrem Körper interessiert zu sein. Zuerst wunderte sie sich, überlegte dann aber, daß man sich ja schließlich nur kurz kannte und Antonio sie wohl einfach nur respektierte. Immerhin war er in ihrem Alter und die spanischen Männer seiner Generation ließen eine "ernste" Beziehung eben sehr langsam angehen, ängstlich, daß die Frau der Meinung sein könnte, daß er nur schwanzgesteuert wäre. Als Greta schließlich ganz allein in ihrem Bett lag, war es schon kurz nach drei. Immer noch war sie hellwach und gar nicht müde. Nach einer halben Stunde, als es draußen schon dämmerte, stand sie kurz auf und nahm ein paar Baldriantropfen, die auch bald halfen. Als sie endlich einschlief, träumte sie vom "Big Bang".



Am nächsten Vormittag, rief Antonio die - ziemlich verschlafene - Greta fünfmal an. Er versuchte, per Telefon seine Theorie über das Unmöglichsein außerirdischer Wesen fortzusetzen und verstand es gar nicht, daß Greta nicht ruhig und ausgiebig mit ihm plaudern konnte. Als er das viertemal anrief, stand gerade ihr Chef neben ihr und Greta sagte zu Antonio nur kurz "Tut mir leid, ich kann jetzt nicht..." was ihren Chef zu der Bemerkung veranlaßte, daß sie wohl zuhause privat telefonieren könnte und die Telefonnummer der Firma nicht an x-beliebige Leute weitergeben sollte. Aber heute war Greta sogar ihr Chef egal. Sie fühlte sich frühlingshaft jung und verliebt. Sie wußte, daß sie jetzt endlich den richtigen Mann getroffen hatte und daß ihr Leben von jetzt an ganz anders und viel schöner werden würde.



Zum Glück war ihr Chef nicht mehr da, als Antonio das fünfte Mal anrief. Greta flüsterte ihm zu, daß sie stark beschäftigt wäre, ihn aber gerne zum Mittagessen treffen würde.



Sie aß also mit ihm zu Mittag und dann zu Abend und dann küßte sie ihn im Auto. Wenn irgendmöglich noch heftiger als gestern nacht und diesmal nahm sie erfreut zur Kenntnis, daß Antonio wohl genauso erregt war wie sie, daß er immerhin in ihren Ausschnitt faßte und heftiger atmete, auch wenn er ihre Hand festhielt, als diese in seine intimeren Gefilde vordringen wollte. Er meinte, daß beide ja morgen nach Andorra fahren würden und man dann genügend Zeit und Ruhe haben würde, um sich ganz intim kennenzulernen. Also ging Greta wieder allein in ihr Bett, aber mit der Vorfreude, daß sie morgen Andorra zum erstenmal und Antonio intimer, kennenlernen würde.

Nach einem Freitag ohne Zwischenfälle (ihr Chef war auf einem Kongreß), war es endlich so weit. Antonio holte sie vom Büro ab, kam ganz schnell hoch in Greta's Wohnung, damit sie ihre Weekend-Tasche packen konnte, (bewunderte ihre Malereien und meinte, daß er wohl nicht so gut malen würde, wie sie...) und dann war man auf dem Weg nach Andorra.



Während Antonio ihr ausführlich weiter über die Entstehung des Universums erzählte, sah Greta aus dem Fenster und begeisterte sich an dem Anblick der Pyrenäen, die ganz schnell immer näher kamen. In der untergehenden Sonne waren sie wirklich ein imposanter Anblick. Greta mochte eigentlich das Meer lieber als die Berge, aber wenn mit Antonio alles so laufen würde, wie sie es sich erhoffte, konnte sie sich durchaus auch ein Leben inmitten dieser gewaltigen Berge vorstellen.



Als sie an einem Schild vorbeifuhren, das eine Gaststätte in nächster Nähe ankündigte, erlaubte Greta sich, seinen Redefluß zu unterbrechen und schüchtern zu fragen, ob er vielleicht Hunger hätte. Er lachte ein bißchen und entschuldigte sich.. "Hier labere ich dich die ganze Zeit voll mit Sachen, die dich vielleicht gar nicht interessieren und du hast sicherlich Hunger." Da Greta's Magen knurrte, nickte sie nur mit dem Kopf.



Antonio bog ab zu der Gaststätte und Greta konnte endlich wieder ihre Beine strecken. Sie benutzte die Gelegenheit, um das etwas altmodische Klo zu besuchen und als sie zurückkam, prostete ihr Antonio schon zu. Greta wollte eigentlich lieber essen, aber Antonio hielt ihr so erwartungsvoll einen Martini entgegen, den er für sie bestellt hatte, daß sie nicht nein sagen konnte. Antonio trank etwas, was wie Wasser aussah, und da Greta ihn noch nie Alkohol trinken gesehen hatte, glaubte sie auch zuerst, daß es Wasser wäre. Besonders auch nach der Art, wie Antonio die Flüssigkeit mit zwei langen Zügen in sich hineingoß. Aber als er dann den Kellner rief und neu bestellte (auch einen zweiten Martini für Greta, obwohl sie noch nicht einmal den ersten ausgetrunken hatte), schnappte sie das Wort "Vodka" auf. Erstaunt fragte sie ihn, "war das Vodka, was du getrunken hast?" Er sah sie erstaunt und mit einem überraschend kalten Blick an, "Ja, das war Vodka... und?" Sie stotterte ein bißchen, weil sein Blick doch ziemlich unterkühlt auf ihr ruhte. "Ich d...d...dachte, du nimmst Tabletten und darfst nicht trinken.... und du mußt doch noch fahren..," Der Kellner brachte die frischen Gläser, Antonio nahm einen noch längeren Schluck und fand dann auch sein normales Lächeln wieder,"Ach weißt du, Greta, die Tabletten nehme ich seit gestern nicht mehr, ich habe sie einfach abgesetzt... ich fühle mich so wohl hier mit dir. Wir müssen einfach feiern, daß wir uns kennengelernt haben." Und er hob sein Glas aufs Neue. Als sie ihn wohl etwas erstaunt ansah, meinte er, "Keine Angst, meine Süße, fahren kann ich immer!" Zwar zweifelte Greta doch an seinen Fahrkünsten, als sie sah, wie er auch dieses Glas zügig austrank, aber dann bestellte er ein herrliches Abendessen und trank nur Bier dazu. Da beruhigte sich Greta wieder. Nach den zwei Martinis sprach sie dem herrlichen dunklen Landwein zu und fühlte sich bald einfach sauwohl.



Der Alkohol schien Antonio wirklich nichts ausgemacht zu haben. Nach nur ein paar Minuten Fahrt überquerte man die kleine Grenze und befand sich in Andorra. Überall hohe Berge, dazwischen schmale Landstraßen, mit Weiden an den Bergabhängen, kleinen Flüssen und Schafen, vielen Schafen. Greta war aufgeregt. Und erregt. Noch nie hatte sie bis jetzt Antonio fühlen können.



Antonio schien reichlich Geld zu haben, denn er wohnte ganz oben in einem dreistöckigen Haus, wo es aber nur eine Wohnung pro Stockwerk gab. Als sie in das Haus traten, ging eine Frau im Nerz an ihnen vorbei (obwohl es eigentlich gar nicht so kalt war). Sie grüßte Antonio zwar und sah Greta neugierig (und seltsamerweise irgendwie mitleidig) an, aber dafür, daß sie mit Antonio im gleichen Haus wohnte, war die Begrüßung doch sehr unterkühlt. Greta wunderte sich sehr und - neugierig wie sie war - wollte sie später einmal herausfinden, was Antonio dieser Nachbarin anscheinend getan hatte. Sogar die Lederverkleidung des Fahrstuhls roch nach Geld. Als Antonio die Wohnungstür aufgeschlossen hatte und Greta bat, einzutreten, fiel ihr als erstes der muffige Geruch der Wohnung auf. Antonio machte das Licht an und Greta konnte nicht glauben, was sie sah: Eine riesige, wirklich enorm große, leere Wohnung. Natürlich nicht ganz leer, es gab ein paar Schränke und auch ein Sofa, aber viel mehr gab es nicht. Greta hatte es noch nie verstanden, sich zu verstellen, und ihr Gesichtsausdruck sprach wohl Bände, denn sofort erklärte Antonio ihr, daß seine Frau alle Möbel mitgenommen hätte.



"Aber..aber ich denke, das war vor drei Jahren...?" wagte Greta zu fragen. Über Antonio's Augen legte sich ein Schleier. Ganz plötzlich hatte er doppelt so viele Falten im Gesicht.

"Seitdem sie mich verlassen hat und die Kinder auch, ist mir alles egal gewesen. Ob in der Wohnung nun Möbel stehen oder nicht, hat mich einfach nicht interessiert... bitte entschuldige, daß ich dir nichts Besseres bieten kann..."

Antonio blickte zu Boden und fast kam es Greta vor, als ob er Tränen in den Augen hätte. "Aber das macht doch nichts, Antonio, immerhin können wir uns auf das Sofa setzen und... und ein Bett ist auch da...." meinte Greta, denn rechts neben dem Wohnzimmer hatte sie ein Schlafzimmer mit einem großen Doppelbett erspäht. Greta sah Antonio die Erleichterung an, daß sie die Leere der Wohnung ohne weiteres wegsteckte. Was Antonio aber nicht wußte, war, daß Greta es als ein Zeichen des Himmels (oder sonstwem) sah, daß eben diese Wohnung so leer war.... als Antonio mit ihr einen Rundgang machte und ihr die fünf (5) leeren Schlafzimmer, die zwei Badezimmer und die riesige Küche zeigte, stellte Greta schon geistig ihre eigenen paar Möbel in diese Wohnung. Sie war sich ganz sicher, daß ihr zukünftiges Leben in Andorra verlaufen würde. Alles schien perfekt: Antonio hatte Geld, keinen regulären Job, so daß man immer zusammensein konnte, malte (Greta wurde neidisch, als sie seine wunderbaren Malereien sah), schrieb und hatte eine Bildung, wie bisher noch nie ein Mann in Greta's Leben, abgesehen von ihrem Vater.



Jetzt mußte Greta es nur irgendwie deichseln, daß auch Antonio sich nichts Schöneres vorstellen konnte, als den Rest seines Lebens mit Greta zu verbringen. Aber auch in dieser Beziehung war Greta sich sicher, daß sie ihn schnell überzeugen konnte..Antonio war ein Mann und wie bekam frau einen Mann dahin, wo sie ihn hinhaben wollte? Richtig, mit Sex! Aber das würde erst später passieren, denn zuerst wollte Antonio Greta einigen Leuten vorstellen. Greta war ein wenig enttäuscht, sie hatte gedacht, daß sie Antonio schon gleich beweisen konnte, wie gut sie im Bett war. Aber nein, nachdem er ein kuscheliges Feuer im Kamin angezündet hatte, ging es hinunter, über die Straße und dort betraten sie eine gut besuchte Bar. Antonio wurde von einigen Gästen und besonders vom Barkeeper hinter der Theke, herzlich begrüßt, man klopfte ihm auf die Schulter und mehrere Male hörte Greta, wie mit etwas leiserer Stimme gefragt wurde, ob er denn jetzt "ganz in Ordnung“ sei... Nach zwei Gin-Tonics mußte Greta auf die Toilette und eine Frau der Runde begleitete sie... noch bevor Greta in der Kabine verschwinden konnte, hielt die Frau, sie hieß Mari, sie fest und erzählte ihr, daß sie Antonio schon seit vielen Jahren kannte und ihn ins Herz geschlossen hätte... auch wenn er oft „sehr schwierig“ wäre... und dann fragte sie Greta, ob die wohl wüßte, daß Antonio ein Alkoholiker sei und erst kürzlich Probleme mit der Bauchspeicheldrüse und der Leber gehabt hätte, aufgrund derer er lange im Krankenhaus gelegen hätte und natürlich absolut nie wieder Alkohol trinken dürfte, wenn er sechzig werden wollte.... Greta wußte jetzt, warum Antonio so eine gelbe Hautfarbe hatte... und erzählte Mari erschreckt, daß Antonio durchaus wieder dem Alkohol zusprach. Mari wurde ganz ernst und fragte Greta, ob es ihr wohl ernst mit Antonio wäre. Als Greta nickte, meine Mari, daß dann Greta praktisch die Verantwortung über Antonio’s Leben übernommen hätte und wohl dafür sorgen müßte, daß Antonio keinen Alkohol mehr trank. Greta fehlten die Worte, noch nie im Leben hatte sie Kontakt mit einem Alkoholkranken gehabt und natürlich keine Ahnung, wie man jemandem vom Alkohol abbringen konnte.



Aber die düsteren Gedanken vergingen, als sie aus der Toilette zurückkam und erfreut und stolz feststellte, daß Antonio das ganze Lokal mit seinem herrlichen Sinn für Humor (den Greta erst jetzt richtig bemerkte) zum Lachen brachte. Er erzählte einen Witz nach dem anderen und wurde immer lustiger, je mehr er trank. In einem nicht ganz so lauten Moment, fragte Greta ihn, ob er wohl noch nicht genug getrunken hätte... er sollte doch bitte an seine Gesundheit denken... Aus dem humorvollen, unterhaltsamen Antonio wurde von einer Sekunde zur nächsten ein vollkommen anderer Mensch. Sein Gesicht erstarrte förmlich in einer wie gemeisselten faltigen Grimasse. Sein Blick war eiskalt, als er zu Greta sagte, daß er erstens alkoholfreies Bier tränke, und daß es sie zweitens nichts, aber auch gar nichts anginge, was, wieviel und warum er trank. Bei diesem Blick und seinen scharfen, wenn auch leisen, Worten, rutschte Greta der Magen in die Kniekehlen, denn irgendwie wußte sie in dieser Sekunde, daß aus dem Leben in Andorra ganz bestimmt nichts werden würde. Sein Blick machte ihr Angst. Und sie konnte mit keinem Mann zusammensein, mochte er auch noch so gebildet und (manchmal) unterhaltsam sein, wenn er ihr Angst machte.



Dieser Blick ließ sie ein 'déjà vu’ erleben und sie verspürte dieselbe Angst, wie damals vor vielen Jahren, als ihr Ex-Ehemann sie genauso angesehen hatte, kurz bevor er ihr eine schallende Ohrfeige gab, sie sich instinktiv ihren kleinen Sohn (der laut weinend alles mitangesehen hatte) schnappte und ins Schlafzimmer rannte, geistesgegenwärtig dort die Tür verschloß und sich mit ihrem Sohn aufs Bett setzte und versucht hatte, ihn zu beruhigen. Die verschlossene Tür hielt leider den Tritten ihres Ex-Ehemannes nicht stand und nach nur zwei Sekunden stand ihr Mann im Schlafzimmer. Greta zitterte am ganzen Körper und machte sich vor Angst fast ins Höschen, während der kleine Junge furchtbar schrie. Zum Glück ließ dieses Bild Greta’s Ex-Ehemann wohl wieder zur Besinnung kommen, denn er schrie nur ein paar schlimme Beleidigungen, drehte sich dann aber um und lief aus der Wohnung. An jenem Tag hatte Greta sich entschlossen, mit dieser Ehe so schnell wie möglich Schluß zu machen, denn sie liebte ihren Mann schon lange nicht mehr, auch wenn sie es allein schon wegen der Kinder trotzdem mit ihm ausgehalten hätte. Aber jetzt war Angst dazugekommen und ein Leben in Angst war kein Leben...



Und fast genau dieselbe Angst spürte sie jetzt wieder. Am liebsten hätte sie gleich sofort den nächsten Bus nach Barcelona genommen, aber erstens hatte sie ihre Reisetasche oben bei Antonio abgestellt und zweitens war es schon ziemlich spät. Außerdem hatte sie auch Angst, Antonio ihren Entschluß mitzuteilen, denn sie wußte ja nicht, wie er darauf reagieren würde. Also tat sie gar nichts, sondern saß nur still neben Antonio, während um sie herum die tollste Stimmung herrschte. Was Greta irgendwann auffiel, war aber, daß zwar die anderen Männer ihre Biere in Flaschen vor sich stehen hatten, Antonio aber sein Bier direkt im Glas vom Wirt gebracht bekam. Sein Bier hatte auch nicht den typischen Schaum, sondern sah abgestanden aus. Als Antonio mal wieder auf der Toilette verschwunden war, nahm Greta sein Glas und hob es an den Mund, so als ob sie daraus trinken wollte. Es war kein Bier, sondern irgendein anderes Getränk, das zwar golden schimmerte, aber offensichtlich hochprozentig war.



Als Antonio kurz darauf das ganze Glas fast in einem Zug hinunterschüttete und Greta den besorgten Augen Mari’s begegnete, war das alles hier zuviel für sie. Sie wollte nicht in diese unangenehme Geschichte hineingezogen werden. Sie hatte schon genug Probleme im Leben, sie brauchte nicht noch mehr. Irgendwie wollte sie diese Nacht hinter sich bekommen und morgen dann schnellstens zurück in ihr - im Vergleich dazu beschauliches, wenn auch mal wieder einsames - Leben.



Kurz nach Mitternacht löste sich die Runde auf, Greta sah deutlich, wie die Männer beim Abschied Antonio grinsend etwas ins Ohr flüsterten, während sie lüstern Greta von oben bis unten betrachteten. Sicher hatten die Bemerkungen etwas mit der kommenden Nacht zu tun. Der Nacht, auf die Greta so gewartet hatte, in der aber wohl wenig passieren würde, angesichts Antonio’s der unsicher neben Greta herging und vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzte. Als sie ihm ihren Arm um die Taille legte, um ihn zu stützen, faßte Antonio das als Zeichen ihres Verlangens nach ihm auf und küßte sie leidenschaftlich, wenn auch ziemlich naß. Greta wehrte ihn nicht ab, denn erstens konnte Antonio gut küssen (auch wenn er nach Alkohol schmeckte) und zweitens wollte sie ihn nicht wieder wütend machen. Als Antonio den Kuß nach einer Weile beendete und Greta weitergehen wollte, packte er sie bei den Schultern und sah sie an.



„Greta, bitte entschuldige, dass ich vorhin grob zu dir war. Ich brauche dich. Du weißt jetzt, was mit mir los ist, daß ich alkoholkrank bin. Ich brauche dich, um aus diesem Sumpf zu kommen. Bitte, bleib bei mir. Du sollst es gut haben. Ich habe genug Geld, so daß du nicht arbeiten mußt. Laß uns einfach zusammen bleiben und einen Schritt nach dem anderen machen. Ab jetzt sofort werde ich keinen Alkohol mehr anrühren, aber du mußt mir helfen, trocken zu werden. Bitte!“



Seine großen dunklen Augen, die wohl vom Alkohol tränten, blickten sie verzweifelt an. Durch Greta’s Kopf schossen tausend Gedanken. Wollte sie bei ihm bleiben und in Andorra leben? Der Gedanke, hier in diesem wunderschönen kleinen Land zu leben, in dieser wunderschönen Wohnung, die sie liebevoll einrichten könnte, und die Aussicht, nie wieder ihren Chef in Barcelona aushalten zu müssen, .... war zwar verlockend, aber gleichzeitig auch furchterregend. Seit ihrer Ehe war sie nie wieder von einem Mann abhängig gewesen, was Geld betraf. Und wenn sie in ihrem Alter später eine neue Stelle suchen sollte, wäre es wohl mehr als schwierig, eine zu bekommen.



Antonio wartete auf ihre Antwort. Greta achtete nicht auf die Warnung in ihrem Kopf, sondern ließ einfach nur ihr Herz sprechen. „Ja, ich bleibe bei dir!“ Sie konnte hören, wie Antonio erleichtert ausatmete. Dann umarmte er sie ganz fest und sagte, „Jetzt wird alles gut. Du bist das Beste, was mir passieren konnte.“



In der Wohnung war das Feuer im Kamin heruntergebrannt und tauchte das Zimmer in ein romantisches Licht. Antonio legte ein paar Schallplatten auf, und zwar Hits aus den 60iger Jahren, als Antonio in England studiert, und Greta dort als Au-Pair-Mädchen gearbeitet hatte. Beide saßen auf dem abgegriffenen Sofa. Greta kuschelte sich an Antonios Schulter und Antonio erzählte. Greta hörte die Geschichte seiner unglücklichen Ehe (die sie zwar schon kannte, aber begierig war, noch einmal zu hören), und langsam, beim Klang seiner tiefen, schönen Stimme, schlief Greta an seiner Schulter ein.



Sie wachte auf, weil ihr kalt war. Zuerst wußte sie gar nicht, wo sie war, doch langsam wurde ihr klar, daß sie auf diesem alten Sofa geschlafen hatte. Antonio hatte sie wohl vorsichtig hingelegt und mit einer alten Decke, die ziemlich muffig roch, zugedeckt. Aber sie befand sich ja in Andorra und hier war es meistens kalt. Das Feuer im Kamin war längst ausgegangen, das Zimmer war in ein graues, ungemütliches Morgenlicht getaucht. Kein Laut war zu hören und Greta wurde es seltsam zumute. Ihre Knochen schmerzten von der Nacht auf dem kuhligen Sofa. Sie stand auf und sah nach Antonio. Er war nicht in der Wohnung. Laut Greta’s Armbanduhr war es sechs Uhr morgens, wo konnte Antonio um diese Zeit sein? In der Küche fand Greta absolut nichts Eßbares. Sie hatte morgens immer einen guten Appetit (im Gegensatz zu den meisten Spaniern, die bis morgens um zehn Uhr noch das üppige Abendessen vom Tag zuvor verdauten). Greta wurde nervös. Sie hatte keinen Wohnungsschlüssel, hätte sie also die Wohnung verlassen, hätte sie nicht wieder hineingekonnt. Außerdem, wo sollte sie hin? Auf leeren Magen steckte sie sich eine Zigarette an und brach damit eine ihrer eisernen Regeln: Nie auf leeren Magen rauchen! Sie wanderte währenddessen in der Wohnung umher und sah sich alles genauer an. Trostlos war die einzige Beschreibung, die ihr dazu einfiel. Außer vielen Büchern (kein einziger Roman, sondern nur Fachbücher über Astronomie), und Antonio’s spärlicher Garderobe, gab es kaum etwas in der Wohnung. Antonio’s Lebensstil war mehr als seltsam, fand Greta. Gerade, als sie nervös die zweite Zigarette anstecken wollte, hörte sie einen Schlüssel in der Tür.



Antonio trug eine Bäckereitüte in der Hand und hatte offensichtlich bereits etwas sehr Starkes getrunken, denn ihn umgab alkoholischer Dunst. Aber er lächelte Greta liebevoll an, fragte sie, ob sie gut geschlafen hätte und reichte ihr die Tüte. Auf Greta’s wohl etwas vorwurfsvolle Frage, wo er denn gewesen sei, sagte er nur, daß er doch für das Frühstück hätte einkaufen müssen. In der Tüte befanden sich vier Croissants, und aus der Tasche seines Jackets holte Antonio ein Päckchen Kaffee. Greta nahm sich vor, nach dem Frühstück ernsthaft mit ihm zu reden, was seine Alkoholsucht betraf, aber erst einmal wollte sie essen...



Fortsetzung folgt...